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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Der Fahrer, im dunkelgrauen Anzug, schwieg, während er sich durch den dichter werdenden Verkehr wühlte. Pseudogeländewagen der protzsüchtigen Neureichen mischten sich mit wenigen alten Kisten aus der Sowjetproduktion, vor allem Ladas, sowie japanischen und koreanischen Blechkisten, die noch die Spuren des inzwischen zu Eis erstarrten Matsches trugen.
    Das Milizpräsidium lag in einem Stalinbau im Zentrum, nicht weit vom Roten Platz. Der Wagen hielt vor dem schwer gesicherten Eingang. Die Tschetschenenhysterie wirkte nach wie vor. Theo hatte bei seinem letzten Aufenthalt erlebt, wie Polizisten in den Straßen systematisch Menschen kontrollierten, die so aussahen, wie sich Moskauer Polizisten Tschetschenen vorstellten, die natürlich samt und sonders verdächtig waren, Wohnblocks oder öffentliche Gebäude in die Luft zu sprengen, wenn sie nicht gerade Schulkinder entführten. Am Eingangsschalter musste Theo ein paar Sekunden warten, weil ein angetrunkener Mann mit Pelzmütze sich nicht mit dem Pförtner einigen konnte. Nachdem er brummend in Richtung Ausgang abgezogen war, legte Theo seinen Diplomatenpass auf den Tisch und sagte: »Oberst Mostewoj.«
    Der Pförtner nickte fast unmerklich, als wollte er verhindern, dass ihm die Schirmmütze, die aber auf dem Schaltertisch lag, vom Kopf rutschte. Er griff zum Telefonhörer, wählte kurz, sagte etwas Unverständliches und legte wieder auf. Hinter Theo hatte sich eine Babuschka aufgebaut und war ihm so nahe gerückt, dass er sie roch. Jetzt, wo sie im Warmen stand, begann sie aus allen Nähten zu dünsten. Der Pförtner zeigte auf die Aufzüge an der gegenüberliegenden Wand und ließ dann seine flache Hand nach unten abknicken. Dort warten, hieß das wohl. Theo stellte sich neben den Aufzug, während die Babuschka lautstark auf den Pförtner einredete.
    Theo betrachtete das hektische Treiben in der Eingangshalle. Über den Fußboden aus großen schwarzen Steinplatten schlurften, hetzten, schritten Junge und Alte, Frauen, manche mit Kindern an den Händen, und Männer kamen durch die Drehtüren herein, sahen sich um, lasen an den Wandtafeln, wo sich die oder die Abteilung befand, stellten sich beim Pförtner an, waren ungeduldig, vielleicht auch ängstlich.
    »Sie sind Herr Martenthaler?«, fragte eine Stimme von der Seite.
    Fast wäre Theo erschrocken. »Ja.« Eine Frau mittleren Alters und mit unscheinbarem Aussehen, ein wenig wie die Karikatur eines Hausmütterchens, musterte ihn streng, dann sagte sie, ohne sich vorzustellen oder Theo auch nur die Hand zu reichen, in einem Deutsch mit starkem russischem Akzent: »Bitte folgen Sie mir.«
    Theo war versucht zu salutieren, ersparte sich den Scherz dann aber doch. Diplomaten machen keine Scherze, Ermittler auch nicht, jedenfalls nicht, wenn sie in heikler Mission unterwegs sind.
    Sie fuhren schweigend in den dritten Stock. Theo folgte der Frau bis zum Ende eines holzgetäfelten Gangs, wo sie an eine Tür klopfte und gleich die Klinke drückte. Es war ein erstaunlich kleines Büro mit einem Schreibtisch und einem Besucherstuhl. Überall, selbst auf dem Boden, lagen Akten. Hinter dem Schreibtisch erhob sich ein stämmiger Mann mit einem hervorquellenden Bauch und traurigen Augen. Er trug keine Uniform, wie Theo es erwartet hatte, sondern einen dunkelbraunen Anzug, der schon bessere Tage gesehen hatte.
    »Guten Tag, Herr Martenthaler«, sagte der Oberst auf Englisch. »Nehmen Sie Platz. Wer ich bin, wissen Sie ja. Sprechen Sie Russisch?«
    Theo setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. »Nicht gut genug.«
    »Sie kommen von der deutschen Botschaft und wollen von mir wissen, was Herrn Scheffer geschehen ist.«
    Das war keine Frage. »Die Sache ist ganz einfach«, fuhr er fort. »Herr Scheffer wurde das bedauerliche Opfer eines Autounfalls mit Fahrerflucht. Es gibt Hinweise darauf, dass der Fahrer betrunken war, jedenfalls wollen Zeugen das an seinem Fahrstil erkannt haben.« Er schnaufte einmal unter seinem schwarzgrauen Schnauzer, setzte seine Stahlrahmenbrille ab und begann sie mit einem Taschentuch zu putzen. Er sah aus wie ein Mann, der mit sich im Reinen war. Oder den Eindruck erwecken wollte.
    »Haben Sie die Ermittlungen geleitet?«
    »Ich habe daran teilgenommen.«
    Theo hätte jetzt gewettet, dass das gelogen war. Ein Oberst leitet Ermittlungen, oder er hat mit ihnen nichts zu tun. Da hatten sie ihm einen vorgesetzt, der kein Deutsch konnte und besonders raffiniert war. So musste es sein.
    »Besteht die

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