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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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es stimmte, beim letzten Mal war er auffällig untätig gewesen in der Passabteilung. Und davon abgesehen, hatte er die große Flaute erwischt. Nichts, wirklich nichts war herausgekommen außer dem Geschwätz mit den lieben Kollegen aus den USA und England.
    Der Staatsanwalt war ein Wicht. Klein, schmal, dürr. Schütteres dünnes graues Haar mit mehr als deutlichen Zeichen der Glatzenbildung und eine überdimensionierte Hornbrille, deren wuchtiger Rahmen womöglich noch aus der Sowjetzeit stammte, jedenfalls drohte sie die Nase des Zwergs zu zerquetschen. Durch dicke, fast milchige Brillengläser schauten Theo wache schwarze Augen an. Wladimir Wladimirowitsch Salachin war zweifellos ein fähiger Mann, sonst hätte das russische Justizministerium ihn nicht mit dieser heiklen Angelegenheit betraut. Theo zweifelte keine Sekunde daran, dass Salachin ihn nach Strich und Faden belügen würde, sollte es bei Scheffers Tod andere Hintergründe geben als die behaupteten.
    Der Zwerg saß hinter einem Riesenschreibtisch aus dunkel gebeizter Buche, links und rechts der Tischfläche stapelten sich die Akten. An der Rückwand Regale mit dicken Büchern und Aktenordnern. Die Wände holzgetäfelt, dunkel, das ganze Zimmer so finster und muffig, als könnten nicht einmal Tausend-Watt-Halogenleuchten es erhellen.
    Das ist alles Absicht, dachte Theo.
    »Danke, dass Sie mir gleich einen Termin gegeben haben«, sagte er, nachdem der Staatsanwalt ihn mit verrauchter Stimme begrüßt hatte. Nikotinflecken an den Fingern, bräunlich verfärbte Zähne.
    »Nun, wenn Ihr Herr Botschafter so darauf drängt, ist es uns natürlich ein Bedürfnis, Ihnen zur Verfügung zu stehen.« Der Zwerg raspelte in perfektem Deutsch. Gewiss war er auch deswegen als Ansprechpartner ausgesucht worden. »Wenn wir Ihnen also helfen können, diesen tragischen Unglücksfall abzuwickeln, so tun wir, was in unseren Kräften steht.«
    »Danke«, sagte Theo. »Es ist ein Routinevorgang, wenn auch ein trauriger. Herr Scheffer war eine wichtige Persönlichkeit bei der Delegation der deutschen Wirtschaft in Russland. Da gibt es natürlich Fragen, wie es in solchen Fällen eben immer Fragen gibt. Meine Vorgesetzten in Berlin … Sie wissen, wie das ist.«
    Salachin lächelte. »Gewiss, wir werden alle Fragen zu Ihrer und Ihrer Vorgesetzten Zufriedenheit beantworten.«
    »Da bin ich mir gewiss«, sagte Theo. Ob die Diplomaten wirklich so redeten? »Wenn es Ihnen nicht allzu viele Umstände bereitet, würde ich gern mit den zuständigen Beamten der Miliz und der Rechtsmedizin sprechen. Ich glaube, mehr wird nicht nötig sein.«
    Ein Lächeln blitzte über das Gesicht des Staatsanwalts. »Selbstverständlich, Herr Martenthaler. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, vereinbare ich entsprechende Termine für Sie. Ich erreiche Sie in Ihrer Botschaft, ja?«
    Er verabschiedete sich, staunte wieder über die kleinen Hände des Staatsanwalts und nahm ein Taxi zurück zur Botschaft. Mit seinem ersten Anlauf war er zufrieden. Es kommt sowieso nichts dabei heraus. Aber wenn er gründlich alle Möglichkeiten abarbeitete, dann konnte ihm niemand einen Vorwurf machen.
    In der Botschaft ging er gleich zu Großmann. Dessen Gesicht erinnerte ihn an John Travolta in seinen schlechten Phasen und der Körper an einen dieser TV – Fettsäcke, die sich gern so supersensibel gaben, dass ihre Stimmen nur einen kurzen Weg zum Weinkrampf hatten. Aber Großmann, das hörte Theo gleich, zerfloss nicht vor Betroffenheit, sondern gab sich forsch.
    »Na, Herr Kollege, da wollen wir mal schauen, wen die Großkopferten mir geschickt haben. Setzen Sie sich.« Er kratzte sich am Kopf. »Oder wollen wir gleich zu Alois? Der hat ein grandioses Wiener Schnitzel, hängt an allen Seiten über den Tellerrand. An allen Seiten.«
    »Schnitzel ist gut«, sagte Theo.
    Im Botschaftsrestaurant setzten sie sich in eine Ecke, wo sie ungestört waren. Es war ohnehin wenig los. Sie bestellten beide Schnitzel mit Beilagen und zwei Bier. Großmann schaute auf die Uhr, lachte und verkündete: »Nach sechs, da darf ich schon.«
    Theo fragte: »Wie lang sind Sie schon hier?«
    Großmann verzog sein schlechtphasiges Travolta-Gesicht, griff an seinen rot gepunkteten schwarzen Schlips, fuhr sich durch die Haare. »Zu lang, Herr Kollege, ein halbes Jahr schon.« Sein Lachen donnerte durch die Kantine.
    »Aber Sie sind ja ein alter Moskauhase«, sagte Theo trocken.
    »Das ist gewiss, Herr Kollege. Ich war nämlich früher schon mal hier.

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