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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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jeden Preis als höchstes Gut feierte und den Krieg ächtete, obwohl der doch der Menschheit mehr Fortschritte beschert hatte als alles pazifistische Gesülze. Hätte es den amerikanischen Bürgerkrieg nicht gegeben, wären die Schwarzen immer noch Sklaven, hätte man den Ersten Weltkrieg nicht ausgefochten, hätten die Deutschen Europa beherrscht und die Demokratie vernichtet, hätte man Hitler in Ruhe machen lassen, dann gäbe es sein Schlachthaus heute noch. Wenn man die Ziele eines Kriegs genau umriss, wenn man erkannte, dass seine Vorteile überwogen, wenn man die eigenen Verluste begrenzen und die des Feindes ins Unerträgliche steigern konnte, dann wäre man verrückt, den Krieg nicht zu führen. Welch Fortschritt für die Menschheit, welch überwältigender Grund für dasRisiko sogar beträchtlicher eigener Verluste, wenn es gelänge, das Sowjetimperium ein für alle Mal auszulöschen. Der letzte große Krieg der Weltgeschichte, der Anbruch des amerikanischen Zeitalters, Freiheit und Wohlstand für die Welt, das Ende der Diktaturen und Bürgerkriege, welch Chance für Afrika und Asien, die aus der Systemkonkurrenz erwachsenden Blutbäder zu beenden und sich ihrer eigentlichen Aufgabe in der neuen Weltwirtschaft zu widmen, nämlich die Industrienationen mit günstigen Rohstoffen zu versorgen, um die Mittel für die eigene Entwicklung zu Demokratie und Wohlstand zu erarbeiten.
    Craig Mavick hatte ein klares Weltbild, und er verachtete jeden, der es nicht teilte. Es war für ihn ein unwiderlegbares System, das seine Konsequenzen aus sich heraus entwickelte, geradezu als Zwangsakt, unabweisbar, sofern man sich der Logik nicht widersetzte, was aber nur möglich war aufgrund von Feigheit, romantischer Sehnsucht nach einer Harmonie, die alles einlullte. Seine Sicht auf die Welt war nichts anderes als nackter Realismus, aus dem nun der kategorische Imperativ des letzten Kriegs erwuchs. Mavick kannte seinen Clausewitz und Kant, und er bewunderte deren rücksichtsloses Denken, die unerbittliche Logik, die manche Waschlappen mit dem abwegigen Argument entkräften wollten, diese Denker hätten den Atomkrieg nicht gekannt. Der Atomkrieg aber war für Mavick und für seine Geistesverwandten in den Washingtoner Braintrusts nichts als ein Krieg mit den Waffen der Moderne, den zu führen man eben genauso lernen musste wie den Einsatz der schweren Artillerie im Ersten Weltkrieg und das Zusammenwirken von Luftwaffe und Panzern im Zweiten. Der Atomkrieg war eine intellektuelle Herausforderung, wie Mavick sie liebte. Er hatte darauf verzichtet, dem Botschafter zu widersprechen, das hätte den auf die Idee bringen können, ihm das Leben schwer zu machen. Was die Agency in Moskau unternahm,ging diesen Geisteskrüppel nichts an, und so hatte Mavick den Sermon fast wortlos über sich ergehen lassen, während er sich insgeheim über die Schweinsäuglein des Botschafters lustig machte.
    Es klopfte an der Tür. »Ihre Gäste warten«, sagte Nancy, seine Sekretärin, brünett, klein, pummelig, mit Piepsstimme. Mavick eilte nach unten, wo er im Empfangsraum die beiden Deutschen begrüßte. Diesen Gebold, den Schwachkopf, und einen anderen Typen, den ihm Gebold als Henri – komischer Name für einen Deutschen – Martenthaler vorstellte, offenbar mal wieder einer, den der BND von den Soldaten geholt hatte, zumindest hatte er die Haltung, den Haarschnitt und dieses leicht ausgemergelte Gesicht mit den hervorstechenden Wangenknochen, das Härte und Entbehrung zeigte. Er führte sie in den abhörsicheren Raum, bot Kaffee und Wasser an und begann ohne Umschweife seinen Monolog.
    Als er genug Gründe und des Drucks halber auch Dummy-Argumente vorgetragen hatte und mit sich zufrieden war wegen seiner wohlstrukturierten Rede, in der er auch geschickt, so meinte er, auf die Interessenlage seine Besucher eingegangen war, schaute er zuerst Gebold an, dann Martenthaler und wartete auf die Antwort, während er die Milch in seinem Kaffee sorgfältig umrührte.
    »Ja«, sagte Gebold in seinem hölzernen Englisch, »das sind natürlich überzeugende Fakten, Mr. Mavick. Wir, also der BND und natürlich unsere Regierung, haben uns schon viele Gedanken gemacht … die Lage ist kompliziert …«
    »Natürlich«, unterbrach Mavick, »sie ist sogar sehr kompliziert. Neue Verhältnisse sind immer kompliziert. Aber es ist unsere Aufgabe, sie zu durchschauen und die Möglichkeiten zu entdecken, die in ihnen stecken.«
    Henri hatte seit der Begrüßung nichts

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