Das Moskau-Spiel
gesagt und war Mavicks Ausführungen mit halb geschlossenen Augen gefolgt. Es ist der Ton der neuen Zeit, dachte er, während er jedes Wort des anderen genau bedachte. Er will uns hier plattwalzen mit einer Flut von Tatsachen, Behauptungen, Rabulistereien und Lügen, mit einem Ap pell an die Bündnistreue und an unsere Verpflichtung gegenüber der Schutzmacht, damit wir tun, was der Große Bruder will. Gebold hatte schon auf der Fahrt zur US – Botschaft von einer »Befehlsausgabe« gesprochen, die aber mit Pullach vereinbart worden sei, sodass ih nen nichts übrig bleibe, als nach der Pfeife der Amis zu tanzen.
Gebold war jetzt auch devot, als hinge sein Leben vom Urteil dieses Amerikaners ab, der den toughen Rechtsintellektuellen neuamerikanischer Prägung gab. Sein Gehabe signalisierte, dass nichts ihn erschüttern könne, dass alle Einwände an ihm abperlen würden wie an einer Teflonpfanne. Mavick verkündete nicht nur die absolute Wahrheit, er verkörperte sie geradezu. Jeder Blick, jedes milde Zucken seiner Mundwinkel, jedes Gekräusel seiner Stirn zeigte sein überlegenes Verständnis für alle Kreaturen, die noch an seiner Botschaft zweifelten, die noch nicht auf dem Stand der Dinge waren.
Doch Henri zweifelte nicht wie ein Gläubiger, der um seine Unvollkommenheit weiß und sie überwinden will, Henri begriff sofort, was die Forderungen aus Lang ley bedeuteten. Die CIA wollte die politischen, militäri schen und wirtschaftlichen Strukturen der Sowjetunion millimetergenau durchleuchten. Sie wollte wissen, wie die Befehls- und Informationsstränge verliefen. Was geschah, wenn eine Institution aus dem Geflecht herausgebrochen würde. Ob und wie die Informationen liefen und ausgewertet würden, wenn der Apparat zu ihrer Beschaffung teilweise ausfiel. Er hatte klare Beispiele genannt: Was unternahm die Moskauer Führung, wenn die Frühwarnsysteme versagten? Was taten die Kommandanten der strategischen U-Boot-Flotte in den Welt meeren, wenn sie von ihren Heimathäfen abgeschnitten waren? Was beschlossen die Befehlshaber der Interkontinentalraketenstützpunkte, wenn der Generalstab in Moskau schwieg? Natürlich wollten Geheimdienste immer alles wissen, aber die eindeutige Ausrichtung der Informationsbeschaffung, ihre Kurzfristigkeit, das Drängen, das Henri gespürt hatte, die Wichtigkeit, die dahintersteckte, die eher erstaunlichen Umstände, unter denen Mavick diese Dinge präsentierte, das alles ließ nur einen Schluss zu.
»Ich will’s Ihnen offen sagen, Mr. Mavick.« Henri streckte sein Kreuz auf dem Stuhl. »Das alles will man nur wissen, wenn man die Chance eines Kriegs auslotet. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie oder Ihre Regierung demnächst einen Krieg führen wollen, aber Sie möchten doch schauen, ob es klappen könnte, nicht wahr? Haben Sie unserer Regierung auch die Gründe für dieses Unternehmen genannt? Wie heißt es überhaupt, Ihr Kind? Unternehmen Thunderclap ?« Henri verzog keine Miene, Gebold starrte ihn von der Seite an mit Wut in den Augen.
Mavick schaute Henri eine Weile ins Gesicht, als fragte er sich, was das nun für einer sei. Ein Provokateur? Ein Dummkopf? Ein Witzbold? Mavick entschloss sich zu lächeln. Aber in seinem Innern kochte er. »Wir nennen es Unternehmen Sunshine.«
Was für ein alberner Name, dachte Henri. »Sie wollen die sowjetischen Informations- und Befehlsstrukturen so genau kennenlernen, damit Sie wissen, wie man sie am besten lahmlegen kann.«
»Wir wollen herausfinden, welche Maßnahme welche Bewegung in diesen Strukturen bewirkt. Weil wir so ablesen können, was die Genossen vorhaben. Wir leben in einer gefährlichen Zeit, da kann man gar nicht genug wissen.«
»Und es ist Ihnen so wichtig, dass Sie sogar die Amtshilfe der Verbündeten beanspruchen.«
Mavick schüttelte bedächtig den Kopf. »Meine Kollegen und Thorsten haben immer gut zusammengearbeitet. Nicht wahr, Thorsten?«
Gebold nickte ein wenig übereifrig.
Henri konnte sich ungefähr vorstellen, wie diese Zusammenarbeit ausgesehen haben mochte. Gebold als Laufbursche. Henri konnte sich auf diesen Versager nicht verlassen. Er musste Klein anzapfen, um herauszufinden, ob sie wirklich an die Amis verkauft worden waren.
Mavick hatte Henri schon eine Weile fixiert, dann sagte er: »Sie sind neu hier, ich bin es auch. Ich bin ein Freund des offenen Worts, ich gestehe, als Diplomat wäre ich die schlechteste Besetzung. Ich finde, der Start hat jetzt ein bisschen geholpert, aber wir werden
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