Das Mozart-Mysterium
erreichte ihn aber nicht mehr; rufen durfte ich nicht, da man es hören würde, so musste ich so laut wie möglich seinen Namen flüstern, in der Hoffnung, ihn noch zu stoppen. Zum Glück hatten wir das Fenster angelehnt, sodass man von außen unmöglich erkennen konnte, dass es unverschlossen war.
Ich sah, wie Mozart plötzlich wie zu einer Salzsäule erstarrte: Er stand an der Scheibe und ihm gegenüber, höchstens eine Armeslänge entfernt, liefen zwei Wachen am Fenster vorbei. Mozart war gut sichtbar, einzig die Dunkelheit bot ihm Schutz. Mir stockte der Atem und ich betete innerlich, dass wir nicht entdeckt würden. Wie durch ein Wunder gingen die beiden am Fenster vorüber. Unseren Aufpasser hinter der Zypresse erkannten sie im Nebel nicht. Erleichtert atmete ich durch und näherte mich ihm. Mozart verharrte noch eine Weile wie unter Schock, dann öffneten wir das Fenster. Unbemerkt von den Wachen gelangten wir nach draußen und begannen zusammen mit dem – entgegen den vorangegangenen Bedenken meinerseits – überaus hilfreichen Burschen den Rückzug.
Der Nebel hatte sich seit unserer Ankunft verdichtet und wir konnten kaum die Hand vor Augen erkennen. Dies könnte zu einer großen Gefahr für uns werden, da es, wie Mozart beim Hinweg unfreiwillig entdeckt hatte, ein Moor gab, das direkt an die Grasflächen vor dem Schloss grenzte. Jeder von uns setzte vorsichtig Schritt vor Schritt, eher tastend als gehend, zugleich in der Furcht, von den Wachen entdeckt zu werden.
Der Nebel um uns herum schien sich noch weiter zu verstärken und war nun so dicht, dass man ihn geradezu fühlen konnte. Immer wieder meinte ich, schemenhafte Gestalten auszumachen, die jedoch sogleich wieder im Nichts verschwanden. Selbst Leopold und den Burschen konnte ich manchmal kaum noch erkennen. Ein Schrei! Ich drehte mich nach Leopold um – er war verschwunden. Auch der Bursche war wie vom Erdboden verschluckt! Ich befand mich jetzt mutterseelenallein im Moor, nur umgeben von Nebel und Stille.
Ich versuchte, anhand meiner Fußabdrücke im nassen Boden den Weg zurückzuverfolgen, um Mozart, der ja hinter mir gegangen war, durch seine Fußspuren auffinden zu können. Ich hoffte innig, noch rechtzeitig zu kommen, denn wahrscheinlich war er hilflos im Moor versunken. Ich konnte aber Mozarts Fußabdrücke nirgends finden! Was war mit ihm geschehen? Es blieb mir nichts anderes übrig, als weiter meinen Spuren zu folgen. Früher oder später würde ich so wieder beim Schloss ankommen.
Vor mir zeichnete sich unvermittelt ein dunkles Gebilde im Nebel ab. Mir schien, als kauerten zwei Personen auf dem Boden. Ich näherte mich vorsichtig. Fast lautlos bewegte ich mich, wie auf Samtpfoten. Es war eindeutig der junge Bursche, der mir den Rücken zukehrte und über einer völlig unbeweglichen Person am Boden kniete.
Ich konnte ein leises Flüstern vernehmen: »Dein Treiben ist vorbei, Unseliger! Ich weiß, dass du etwas gegen unsere Brüder im Schilde führst! Eine Verschwörung, um unseren Bund der Erleuchteten zu zerschlagen!«
Mir stockte der Atem. Der Mann am Boden war Leopold Mozart – der Bursche drückte seine Hände auf Mozarts Hals und würgte ihn. Leise schlich ich mich näher heran. Ich spürte, wie das kalte Wasser des Moores in meine Schuhe kroch. Ich begriff, dass wir uns hier mitten im Moor befanden und dass es nur vereinzelte feste Inseln gab. Das Gras täuschte festen Grund vor und war eigentlich nur eine schwimmende Schicht auf dem Moor. Ich tastete mich weiter vorsichtig voran, um näher an die beiden heranzukommen.
Der Bursche sprach noch immer: »Was habt Ihr auf dem Hügel der Erleuchteten gesucht? Sprich oder stirb!«
Offensichtlich war der Bursche ein Illuminat oder wenigstens einer ihrer Handlanger. Hatte ich es doch geahnt! Dann war es vielleicht auch er gewesen, der mich in den Katakomben niedergeschlagen hatte. Dass diese Extremisten die Freimaurer und Mozart im Visier hatten, hatte der Maestro uns bereits mitgeteilt. Es war eine Art Krieg gegen die Freimaurer, der auch uns bedrohte.
Ich war jetzt ganz nahe an die beiden herangelangt und konnte sie atmen hören. In diesem Moment holte der Bursche mit einem ein Messer aus.
Es blieb mir keine Wahl. Ich sprang ihn von hinten an, mit großem Schwung gegen die Hand mit dem Messer schlagend. Hart prallte ich gegen ihn und wir fielen seitlich ins nasse Gras, das dabei ein schmatzendes Geräusch von sich gab. Der Bursche schrie wie am Spieß. Er wand sich und
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