Das Mozart-Mysterium
dieser düsteren Worte ein kalter Schauer durch die Glieder. Der letzte Satz schien ein verschlüsselter Hinweis zu sein, vielleicht auf eines der Verstecke, sei es auf den genauen Platz, an dem wir die Gabe finden würden, oder auf das nächste Versteck. Zur Sicherheit schrieb Leopold Mozart alles in das kleine Notizbuch. Er drückte die Klinke herab. Ohne Widerstand öffnete sich die schwere Tür nach innen.
Im Durchgang hinter der Türe war ein dichter Vorhang aus Spinnweben. Angeekelt bahnte er sich mit den Händen den Weg. Nach wenigen Schritten hatte er plötzlich keinen Boden mehr unter seinen Füßen! Mit den Armen rudernd stolperte er ins dunkle Nichts, einen gellenden Schrei ausstoßend, der von den Wänden widerhallte. Es war zum großen Glück nur eine geringe Tiefe von etwa 3 Fuß, in die er gestürzt war, dennoch landete er auf allen vieren. Schnell griff er nach der Kerze, die neben ihm auf dem Boden gefallen und noch nicht erloschen war. Er blickte um sich.
Überall lagen Bruchsteine und kleines Geröll. Als Mozart mit der Kerze die Umgebung erhellte, erkannte er, dass er sich offenbar in einem weiten Gang befand, dessen Länge er nicht ausmachen konnte. Es war jedenfalls keine normale Katakombe, sondern sah aus wie ein Geheimgang. Er ging langsam voran, immer auf der Hut vor neuen Überraschungen. Jetzt bemerkte er, dass sich linker Hand eine zugemauerte Türöffnung befand. Das Mauerwerk war fest und stabil. Es wäre ihm unmöglich gewesen, ohne schwere Werkzeuge hindurchzubrechen, also ging er weiter. Der Gang bog nun um eine Ecke und wurde schmaler. Wieder eine zugemauerte Türöffnung, nun zur Rechten. Mozart musste mindestens 20 Fuß weitergehen, bis er auf einen Haufen Steine und Geröll stieß, der aus einer Türöffnung an der linken Seite gestürzt sein musste.
Es war eindeutig rohes Felsgestein, das hier vor ihm lag: Dies mussten die Keller der vom Bergrutsch zerstörten Gebäude sein, in denen weit mehr als 200 Menschen begraben worden waren, verbunden durch eine Art Geheimgang oder Fluchtweg aus alten Zeiten. Unter den verschütteten Gebäuden befand sich ja ein vollständig besetztes Priesterseminar. Man hatte über den Grundmauern der zerstörten Gebäude die Ursulinenkirche und mehrere nebenliegende, neue Gebäude erbaut.
Mozart erstarrte. Langsam dämmerte ihm, was eigentlich geschehen war. In den bekannten Schriften hieß es, die Überreste der armen Seelen wären auf dem Friedhof der Ursulinenkirche beigesetzt worden. Hier befanden sich jedoch Zugänge zu den Kellern der zerstörten Häuser, die aussahen, als ob sie nie freigeräumt worden und die Häuser eben erst eingestürzt wären. Vor jedem der Kellereingänge war auf dem Boden ein kleines Pentagramm eingemeißelt. Man wollte sich also vor etwas schützen, was in den Trümmern vermutet wurde. Als er näher trat, sah er an der zerstörten Türöffnung unter dem Schutt kleine Knochen hervorlugen, die aussahen, als ob sie sich einen Weg aus dem Schutt freigeschaufelt hätten, denn vor den Knochenteilen, wohl die Überreste eines Armes, lag ein kleiner Schutthaufen, der eindeutig durch das Hervorstoßen der Steine entstanden war. Neben den Knochen waren tiefe, bogenförmige Kratzspuren im Boden, als ob ein lebendig Begrabener über lange Zeit versucht hätte, sich zu befreien.
Mozart überkam Schwindel und er fiel auf die Knie. Eine lähmende Furcht überfiel ihn. Er wollte es noch verdrängen, aber es kam ihm wie ein Albtraum in das Bewusstsein: Man hatte nach dem großen Unglück den Bergsturz bösen Mächten zugeschrieben, aus Angst vor ihnen war offensichtlich kein einziges der Opfer geborgen worden, tot oder lebendig. Man hatte die Verletzten und Verschütteten jämmerlich unter den Trümmern sterben lassen.
Weshalb suchte sich Mizler einen solch grausigen Ort aus? Nur zum Schutze des Verstecks? Mozart stand auf, nun mit einer schweren Last auf seiner Brust. Mit langsamen Schritten, als wären seine Füße aus Blei, und geplagt von tiefen Zweifeln setzte er seine Suche fort. Er näherte sich dem Ende der Gangs. Nichts, nur Steine und Staub. Er ging auf dem selben Wege zurück. Als er etwa die Hälfte der Strecke hinter sich hatte, fiel ihm eine geometrische Struktur im Schutt auf: Man sah nur einen flachen Steinhaufen und eine Treppe, die aufwärts führte, aber verschüttet war. Vor der Treppe, gleichsam wie ein Ornament im Fußboden, war ein Dreieck eingelassen. Mozart trat näher heran, denn er kannte nun durch den
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