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Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Sie mussten Schäferhunde einsetzen.
    Scheinwerferwagen leuchteten die Szene in helles Flutlicht. Wie ein Schreckensmal stand die große Straßenuhr mitten in dieser Szene. Das Glas war zersplittert. Die Zeiger waren auf 22.19 Uhr stehen geblieben.
    Der Schuldige an dem Massaker war schnell identifiziert. Ein gewisser Gundolf Köhler war bei dem Attentat getötet worden. Köhler war angeblich Mitglied in der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann. Man schrieb ihm die Tat zu. Und schloss die Akten.
    Dengler klappte den Ordner zu. Eine Bombe, die ein Inferno unter völlig unbeteiligten Personen anrichtete, ein Blutbad an harmlosen Männern, Frauen und Kindern, die zufällig am 26. September am Hauptausgang des Oktoberfestes gewesen waren.
    Ohne Motiv?
    Er erinnerte sich an seinen Lehrer auf der Polizeischule und seinen späteren direkten Vorgesetzten beim BKA. »Es gibt kein Verbrechen ohne Motiv«, hatte ihn Dr. Schweikert gelehrt.
    Deshalb war »Warum?« das erste Wort, das er auf das leere Blatt schrieb.

Am Sauknochen nagen
    Die Partei vermittelte ihr den ersten Job. Das Staatsministerium hatte immer Bedarf an konservativen Juristen mit Prädikatsexamen. Ein Jahr lang arbeitete sie in der Grundsatzabteilung, schrieb Stellungnahmen zu Fragen der Landesverfassung.
    Dann wurde sie zum Staatsminister gerufen.
    »Mädle, du musst in die Politik«, sagte er.
    Sie wollte ihm sagen, dass sie davon nichts verstand und sich in ihrer Familie noch nie jemand um ein Wahlmandat bemüht habe. Alle seien immer nur Staatsdiener gewesen, Beamte und Offiziere.
    Er ließ keine Einwände gelten.
    »Es ist nicht schwer«, sagte er. »Du musst nur am Sauknochen nagen.«
    Sauknochen?
    Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
    »Komm einfach mit«, sagte er.
    In den nächsten Monaten nahm er sie an den Samstagen und Sonntagen mit. Sie saß in unzähligen Festzelten bei Vereins-, Stadt- und Dorffesten und nagte tatsächlich an ebenso unzähligen gebratenen Schweinshaxen. Sie hörte dem Staatsminister Wochenende für Wochenende zu, und irgendwann hielt sie selbst ihre erste Rede in einem Festzelt, in dem, so schätzte sie, außer den Kleinkindern niemand mehr nüchtern war.
    Der Staatsminister strahlte. Er beschaffte ihr auch den Wahlkreis in der Nähe von Tübingen.

Martin Klein
    Um elf Uhr stand Dengler vom Tisch auf. Für einen Augenblick glaubte er das Geschrei und das Wimmern der Verwundeten zu hören, gespenstisch übertönt von dem Kreischen der Leute auf der Achter- und der Geisterbahn.
    Er rieb sich die Augen. Doch er sah immer noch die silberne Flamme vor sich, die meterhoch in den Münchener Abendhimmel schoss.
    Schluss, dachte er. Ich muss professionelle Distanz bewahren zu den Fällen, die ich bearbeite. Das war auch einer der Lehrsätze, die Dr. Schweikert ihm beigebracht hatte. Aber Distanz zu den Opfern zu halten, war ihm schon immer schwergefallen.
    Damals wie heute.
    Er ging aus seinem Büro in den Flur. Ein paar Meter weiter war die Tür zu Martin Kleins Wohnung. Ein paar Fetzen Musik drangen nach draußen, eine Trompete, die nach Miles Davis klang. Er klopfte, und nachdem er Kleins geknurrtes »Herein« hörte, trat er ein.
    Kleins Wohnzimmer war ein heller, modern und geschmackvoll eingerichteter Raum. Zwei Couches und ein Sessel standen an der linken Seite, zwischen ihnen ein kleiner Tisch mit einer Vase voller Sommerblumen. Klein saß an einem dunklen Holztisch vor dem Fenster. Er hatte seinen Laptop an und starrte auf den Bildschirm.
    Dengler trat hinter ihn und legte seinem Freund einen Arm auf die Schulter.
    »Wie wird denn mein Horoskop für die kommende Woche?«
    Zu seiner Überraschung deckte Klein den Bildschirm mit dem Arm ab.
    »Martin, ich lese es doch sowieso in der Zeitung.«
    Klein brummte etwas und nahm den Arm weg. Denglersuchte die Rubrik »Widder«: »Widder: Sie lieben das Risiko und die Gefahr. Im vorliegenden Fall sollten Sie aber behutsam vorgehen, da die Widerstände größer sind, als Sie ursprünglich dachten. In der Liebe lohnt sich das Warten.«
    Dengler lachte: »Ich weiß nicht, wie du das machst. Irgendwie stimmt das für mich immer, was du für den Widder schreibst.«
    »Na ja«, sagte Klein und drehte sich grinsend zu Dengler um. »Um ehrlich zu sein, das Gleiche habe ich vor drei Jahren schon einmal geschrieben. Heute fiel mir zum Widder nichts ein, und so habe ich eine alte Worddatei wieder hochgeladen und den Text nur leicht verändert.«
    »Trotzdem passt es.«
    »Es passt immer.

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