Das München-Komplott
Nachricht der Bundesanwaltschaft bekommen. Die Asservate wurden vernichtet, weil dieser Fall ›durchermittelt‹ sei und neue Erkenntnisse nicht mehr zu erwarten seien. Eine Routineangelegenheit, hieß es. Ich bin am Telefon ausgerastet, aber für den zuständigen Bundesanwalt schien das alles völlig normal. Es gibt keinen Finger mehr, und auch die Reste des Feuerlöschers sind vernichtet. Wir hatten verdammtes Pech.«
»Das ist die Frage, Jürgen. In diesem Fall gibt es sehr viele merkwürdige Zufälle. Und zwei merkwürdige Todesfälle.«
Er erzählte ihm von Elmar Becker und Monika Bandlinger.
»Beide«, sagte er, »haben weitere Verdächtige am Tatort gesehen, dies in den Vernehmungen auch ausgesagt, und beide leben nicht mehr.«
Gladio
Dengler traf Dr. Schweikert in einem kleinen Café am Augustinerplatz. Beethoven klang aus den Lautsprechern, Anne-Sophie Mutter spielte ihr Paradestück, das einzige Violinkonzert des großen Komponisten.
»Ich bin gern hier«, sagte Dr. Schweikert. »Es gibt hier fast die gesamte deutsche und die wichtigste ausländische Presse. Der Kaffee ist gut, und die Leute sind nett.«
Zwei Studentenpärchen saßen an den Nachbartischen. Alle lasen Zeitungen.
Dengler freute sich, seinen alten Vorgesetzten wiederzusehen. Aber er war älter geworden, und er wirkte auf Dengler noch schmaler und zerbrechlicher als bei seinem letzten Besuch. Doch die Augen blitzten wach und freundlich wie früher hinter einer Brille mit viel zu großen Gläsern hervor.
»Ich habe Ihnen etwas mitgebracht«, sagte Dengler und schob ihm einen Stick über den Tisch.
Dr. Schweikert nahm ihn.
»Danke, Dengler. Was ist da drauf?«
»Sie wollten doch das Field Manual 30–31. Da ist es.«
Dr. Schweikert fixierte Dengler, als wolle er sichergehen, dass dieser keinen Scherz machte.
Dann sagte er: »Lassen Sie uns einen kleinen Spaziergang machen.«
Sie gingen einen Stock tiefer, zahlten an der Kasse und traten ins Freie.
»Gehen Sie schnell noch einmal nach oben und sehen Sie nach, was die Studenten machen.«
Dengler nickte und ging, zwei Stufen auf einmal nehmend, nach oben.
»Einer der beiden Männer telefonierte gerade«, sagte Dengler, als er wieder neben seinem früheren Vorgesetzten auf dem Augustinerplatz stand.
Dr. Schweikert nickte.
»Kann es sein, dass Sie observiert werden?«
»Ich habe nichts bemerkt. Aber es ist nicht ausgeschlossen.«
»Wir trennen uns jetzt. In einer halben Stunde treffen wir uns im Stadtgarten an der Seilbahn.«
Dengler nickte. Sie verabschiedeten sich formell und gingen getrennte Wege.
Der Augustinerplatz war gesäumt mit jungen Menschen, die in dichten Trauben auf den Treppen saßen. Hier war es unmöglich festzustellen, ob er überwacht wurde oder nicht. Erüberquerte die Salzstraße und lief durch die Augustinergasse zum Münsterplatz. Bauern vom Kaiserstuhl verkauften Gemüse, alternative Betriebe boten selbst gefertigtes Holzspielzeug oder handgetöpfertes Geschirr an.
Dengler blieb vor einem Stand stehen und kaufte sich eine rote Wurst.
Er sah sich um. Kein Gesicht, das er drüben auf dem Augustinerplatz bereits gesehen hatte.
Aber das besagte nichts.
Er ging, die rote Wurst essend, über die geschwungene Fußgängerbrücke hinüber in den Stadtgarten. Vor dem Eingang zur Seilbahn, die hinauf auf den Schlossberg fuhr, stand Dr. Schweikert.
»Kommen Sie, Dengler, steigen Sie ein.«
Sie stiegen in eine der Kabinen, die nicht mehr als vier Personen fasste. Langsam zockelte die Seilbahn los.
»Hier sind wir völlig ungestört. Genießen Sie den Blick über Freiburg. Vor allem aber erzählen Sie mir, wie Sie an das Field Manual gekommen sind.«
»Es war ein einfacher Einfall. Stammt allerdings nicht von mir. Ein Freund fragte sich, ob die Stasi sich nicht ein solches Dokument beschafft haben konnte.«
»Und sie hatte?«
»Ja, es fand sich in den Archiven der Birthler-Behörde.«
»Gute Idee. Aber Sie wissen, dass es sich um ein gefährliches Papier handelt?«
»Sie haben es mir deutlich genug gesagt. Aber was hat es mit dem Oktoberfest-Attentat zu tun?«
»Ich weiß es auch nicht genau. Aber damals haben wir im BKA über Ähnlichkeiten zwischen den deutschen Entwicklungen und denen in Italien diskutiert. Sagt Ihnen der Fall Heinz Lembke etwas?«
»Nein.«
»Lembke hängt mit Ihrem Fall zusammen. Auch mit dem Field Manual 30–31. Wir nahmen diesen Lembke fest. Er warein rechtsradikaler Terrorist. Wir erwischten ihn in Uelzen, als er aus einem
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