Das München-Komplott
einen Augenblick, bis er die Stimme Dr. Schneider, dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, zuordnen konnte.
»Jürgen Engel ist gestern Abend tödlich verunglückt.«
Dengler schloss die Augen.
Herr im Himmel, lass das nicht geschehen sein. Bitte lass das nicht geschehen sein.
»Er hatte dienstlich in Berlin zu tun. Auf der Rückfahrt nach Hause hatte er wohl einen – Zusammenstoß mit einem anderen Wagen auf der Autobahn. Er konnte seinen Wagen offenbar nicht mehr steuern. Kam an die Leitplanke. Leider auf einer Brücke. Der Wagen stürzte … Er hat nicht mehr gelitten, das kann man ziemlich sicher sagen. Er muss sofort tot gewesen sein.«
»Der andere Wagen. Was ist mit dem?«
»Fahrerflucht. Wir suchen nach ihm. Wir haben Lackproben. Es ist schrecklich.«
Dengler fror. Alles, was er sagte, klang rein mechanisch. Als würde ein Uhrwerk in ihm schlagen.
»Herr Dr. Schneider, Sie müssen sofort seinen PC sichern.«
»Haben wir schon.«
»Und Sie wissen nicht, ob er noch irgendeine Nachricht für mich hinterlassen hat?«
»Doch: Er hat ein E-Mail an Sie geschrieben, aber noch nicht abgeschickt.«
»Was hat er geschrieben?«
»Ich lese vor: ›Georg, unser Mann ist Hans Leitner, Köln, Rondorferstraße 8. Rufe dich morgen noch mal an. Gruß Jürgen.‹ Können Sie damit etwas anfangen? Hallo, Dengler?«
Dengler fühlte sich todmüde.
»Ja, das kann ich, Herr Dr. Schneider. Das kann ich.«
»Hat es etwas mit der Aushebung der rechtsterroristischen Waffenverstecke zu tun?«
»Das kann sein, aber ich weiß es nicht. Es ist wahrscheinlich ein Geheimdienstmitarbeiter, der während des Münchener Oktoberfest-Attentats dabei war.«
»Wissen Sie«, sagte Dr. Schneider nachdenklich. »Ich bin ein Mensch, der nicht an Zufälle glaubt. Ich glaube nicht, dass der Unfall von Engel ein Unfall war. Und ich lasse mir vom Verfassungsschutz auch nicht meine Leute rausschießen … Sie wissen schon. Kennen Sie den Film Silkwood?«
»Nein.«
»Es geht um eine Umweltaktivistin. Gespielt von Meryl Streep. Sie ist unbequem. Zum Schluss wird sie von einem Laster von der Straße abgedrängt. Seither, so sagt man, gilt diese Art der Hinrichtung in den USA als Warnung. Verstehen Sie?«
»Ja.«
»Passen Sie auf sich auf.«
»Ich versprech’s.«
Dengler ging in der Wohnung auf und ab.
Sie hatten Jürgen Engel umgebracht. Jürgen Engel. Er konnte kaum atmen.
Er war den Monstern zu nahe gekommen.
Sie hatten kein Geheimnis daraus gemacht, wer ihn umgebracht hatte. Sie hatten die gleiche Methode gewählt wie in Silkwood .
Nachts auf der Autobahn waren sie gekommen.
Aber Jürgen hatte einen Namen hinterlassen.
Er würde sie jagen.
Jürgen Engel würde ihm fehlen.
Er nahm noch einmal das abhörsichere Handy und wählte Engels Nummer.
Dr. Schneider meldete sich noch einmal.
»Sie könnten mir noch einen Gefallen tun.«
»Gerne, Dengler.«
»Ich bräuchte alles, was Sie über den erschossenen General wissen, über Klaus Nauber.«
»Nauber? O. k., Dengler, ich frage jetzt nicht nach. Sie bekommen, was wir haben. Passen Sie auf sich auf.«
Dengler saß an Martin Kleins Krankenbett.
Klein konnte immer noch nicht reden. Er schrieb.
»Nein, Martin, ich habe sie auch nicht gesehen.«
»Hast du ihr von den beiden unterschiedlichen Phantombildern erzählt, die ich dir gezeigt habe?«
Leider waren diese Angaben nicht von Betty, dachte Dengler. Aber er sagte nichts.
»Sicher.«
»Das mache ich, Martin. Ich kümmere mich um Betty.«
Verabredung im Hafen
Wichtig war, keine Spuren zu hinterlassen. Eine Schusswaffe konnte er in der Öffentlichkeit nicht einsetzen, niemals, sie würde zu viel Aufsehen erregen.
Besser war es, den lästigen Schnüffler einfach verschwinden zu lassen. Sie würden ihn entführen, erschießen und seiner Leiche eine letzte Ruhestätte weit weg vom Ort seiner Hinrichtung gönnen, vielleicht in einem Waldstück in der Eifel.
Sie hatten drei Wagen, drei schwarze Ford Transit, und zehnMann. Es kam darauf an, Dengler möglichst unbemerkt und schnell zu greifen. Sie würden ihm einen Sack über den Kopf stülpen, um ihn handlungsunfähig zu machen, dann zwei Schüsse in den Kopf und sofort den nächsten wasserdichten Sack darüber. Es würde keine Blutspuren geben.
Das war nicht das Problem.
Das Problem war, Dengler an einen Ort zu locken, an dem man ihm ungesehen den ersten Sack über den Kopf ziehen konnte. Er rief Gisela Kleine an: »Welche V-Leute haben wir in der Nähe von diesem
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