Das München-Komplott
Aber sie sind unzuverlässig und faul.«
»Käuflich?«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Wer legt die meisten Brände? Feuerwehrleute. Welche Berufsgruppe lebt am ungesündesten? Die Ärzte. Welche Berufsgruppe lebt am sündigsten? Katholische Priester. Meine Lebenserfahrung sagt mir: Immer wenn jemand nach etwas besonders laut schreit, hat er sehr wenig davon. Diese Leute schreien nach nationaler Ehre, weil sie keine persönliche haben. Sie sind gewaltbereit, nicht sehr helle, hierarchisch strukturiert in Hirn und Organisation, also leicht zu steuern. Sie sind ideal für unsere Zwecke. Und billig. So ist das. Ich hoffe, ich langweile Sie nicht. Jetzt plaudere ich ein bisschen aus dem Geheimdienst-Nähkästchen.«
»Ich höre Ihnen gern zu. Obwohl dieses Gespräch gar nicht stattfindet.«
»Wir haben deren Laden auf Vordermann gebracht. In den meisten Vorständen haben unsere V-Leute die Mehrheit oder wir organisieren sie für uns. Es ist keine leichte Arbeit. Wir haben es ja nicht mit normal intelligenten Leuten zu tun, sondern mit, na ja, lassen wir das … Aber es funktioniert. Im Falle von Arbeitslosenunruhen, was immer, wir bauen uns da eine zuverlässige Truppe auf. Und wir haben sie unter Kontrolle. Weitgehend jedenfalls.«
»Und was ist mit den Waffendepots, die neulich ausgehoben wurden? Dem Sprengstoff, den Maschinenpistolen, den vielen Kisten mit Munition?«
»Das ist natürlich nur für Extremfälle gedacht. Wir konzentrieren uns im Augenblick darauf, die Partei zu etablieren, seriös zu machen, damit sie in einigen Ländern die 5-Prozent-Grenze übersteigt, weil wir die Wahlkampfkostenerstattung brauchen.«
»Sie haben also Ihre eigene Partei.«
»Dieses Projekt dient der inneren Sicherheit. Es ist die Reserve, die wir brauchen für die großen Gefahren der Zukunft.«
»Und was erwarten Sie von mir?«
Der kleine Präsident blieb stehen und strich sich über den Schnurrbart.
»Sie, Frau von Schmoltke, könnten eine große Zukunft haben. Sie sind jung, dynamisch. Sie repräsentieren eine moderne Form von Konservatismus. Es gibt Kräfte in der Bundestagsverwaltung, die der NPD den Geldhahn zudrehen wollen. Aber ohne öffentliche Gelder wird es keine neonazistische Bewegung geben. Wir können nicht länger mit unserem Geld diese Bewegung und den ganzen Laden aufrechterhalten. Wir suchen Verbündete im politischen Bereich, die dafür sorgen, dass öffentliche Gelder fließen.«
»Und da haben Sie an mich gedacht.«
»Um ehrlich zu sein, Frau von Schmoltke, Sie wären ideal. Sie haben durch Ihr Engagement für ein NPD-Verbot ein hohes Ansehen. Sie gelten als glaubwürdig. Sie wären ideal.«
Sie standen nun wieder vor dem Reichstag.
»Und Sie bieten mir an, dafür zu sorgen, dass mein Hubschrauberausflug unter uns bleibt?«
»So ist es. Schlagen Sie ein!«
Der kleine Präsident streckte die Hand aus.
»Ich rufe Sie an«, sagte Charlotte und ging.
Im Ministerium angelangt fuhr Charlotte mit dem Aufzug in den Stock des Ministerbüros.
Sie würde zurücktreten. Auf der Stelle. Sie würde sich niemals erpressen lassen. Es würde nur eine kurze Irritation in der Öffentlichkeit geben. Eine Staatssekretärin ist nicht so wichtig, dass ihr Rücktritt wochenlang in den Medien verhandelt wird.
Sie war völlig aufgewühlt.
So funktioniert es also, dachte sie.
Aber nicht mit mir.
Sie betrat das Vorzimmer.
»Ich muss zum Minister«, sagte sie.
»Er will nicht gestört werden«, sagte die Referentin.
»Jetzt wird er gestört.«
Sie stemmte die schwere, gepolsterte Tür zu seinem Büro auf.
Der Minister saß hinter seinem Schreibtisch und schrieb.
Er sah kurz auf: »Ach, du bist es. Komm rein.«
Sie schloss die Tür. Dann ging sie zu seinem Schreibtisch und ließ sich in den Sessel davor gleiten.
»Zeit für Geständnisse«, sagte sie.
Containerlager
Die Zeit zur Vorbereitung war knapp.
Dengler war sofort nach dem Anruf von Betty in den Hafen gefahren und hatte sich umgeschaut. Hier hatte sich Betty also versteckt.
Die Gegend war nicht schlecht gewählt. Es gab große Lagerhäuser mit kleinen Büros. Dengler hatte den Eindruck, dass einige nicht benutzt waren.
Der Mittelkai lag an einer langen Mole. In der Mitte ein großer Turm, ein Silo. » Kauf Frießinger-Mehl und du gehst nicht fehl« war mit großen roten Lettern darauf gepinselt.
Am Kai lagen zwei Frachtschiffe. Ein riesiger gelber Bagger, der sich auf Schienen vor und zurück bewegte, griff mit einer spinnenartigen
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