Das München-Komplott
werden Sie sicher in seiner Wohnung finden. Er war fast dreißig Jahre bei den Asservaten.«
»Ich werde mir morgen den Durchsuchungsbeschluss besorgen«, sagte Dr. Schneider.
»Ach, aber ich habe noch etwas für Sie, Dengler.«
Dr. Schneider griff in seine Innentasche.
»Auf dieser CD-ROM ist alles, was wir zum Fall des Klaus Nauber haben. Viel ist es nicht. Die Amerikaner waren nicht sehr kooperativ.«
Dengler bedankte sich und steckte die Silberscheibe ein.
Plötzlich war er sehr müde.
Verdammt echt
»Also ich – ich lag oben auf dem Container. Ich sah ja nichts. Ich hatte nur die Plastikfäden der Puppe in der Hand. Seit dem Nachmittag lag ich dort oben. Niemand hatte dran gedacht, dass das Metall ganz schön heiß werden kann. Und drei Mal musste ich pinkeln. Da habe ich einfach …«
»Mario, das interessiert nun wirklich niemand«, sagte Anna, seine Frau.
»Nun gut. Dann wurde es dunkel. Ich hatte das Headset desHandys auf. Als Georg ganz leise ins Mikro sagte: Jetzt, da zog ich an den Plastikschnüren.«
»Und die Puppe bewegte einen Arm. Es sah verdammt echt aus«, sagte Dengler.
»Das Schwierige war, die Schnur im richtigen Augenblick loszulassen. Sonst hätten die Burschen gemerkt, dass sie gerade eine Puppe gekillt haben.«
Sie saßen an dem Stammtisch in der Weinstube Vetter , dem Ort für besondere Tage.
»Von Betty habt ihr nichts gehört, oder?«, fragte Martin Klein leise.
Alle am Tisch schwiegen.
»Ich habe sie nicht mehr gesehen«, sagte Mario.
»Sie ist einfach nicht mehr aufgetaucht. Einfach so. Ohne ein Wort.«
Ich muss mit ihm reden, dachte Dengler.
Aber es war ihm klar, dass kein Wort seinen Freund trösten konnte.
Noch einmal München
Auf Jürgen Engels Begräbnis tummelten sich viele alte Kollegen. Die wenigsten wussten, dass sie erst vor Kurzem noch zusammen gearbeitet hatten. Dr. Schneider hielt eine Rede.
Georg Dengler hielt sich im Hintergrund. Dr. Schneider sah ihn trotzdem und kam zu ihm.
»Wir haben den Finger in Leitners Wohnung nicht gefunden«, sagte er. »Auch nicht in seinem Wohnmobil. Da waren wohl ein paar andere schneller. Die Kollegen, die nicht auf einen Durchsuchungsbeschluss warten müssen.«
Dengler nickte.
Er war müde.
Am nächsten Tag fuhr er nach München. Der Bundestagswahlkampf hatte begonnen, und die ganze Stadt schien mit Plakaten gepflastert.
»Optische Umweltverschmutzung«, sagte der Rechtsanwalt Eberhard Klampf.
In dem Besprechungszimmer warteten schon seine beiden Mandanten auf ihn. Gisela Hermann trug ein hellgrünes Kleid, Alexander Merkle einen grauen Anzug. Sie sahen ihn beide interessiert an.
»Ich hoffe, Sie bringen uns gute Neuigkeiten«, sagte Gisela Hermann.
Dengler sah ihr zerschnittenes Gesicht und fühlte sich schuldig.
Es waren zu wenig Resultate, die er den beiden brachte, und er wusste es.
Langsam erzählte er von seinen Ermittlungen. Er ersparte ihnen nichts, nicht den Tod von Leitner und auch nicht den von Jürgen Engel.
»Dann wissen wir also, was wir die ganze Zeit vermutete haben. Dass mehr dahintersteckt als ein wirrer Einzeltäter«, sagte Gisela Hermann.
»Aber das hat doch noch nie jemand geglaubt«, sagte Alexander Merkle. »Noch nicht einmal die Polizei selbst.«
»Als sicher gilt, dass Leitner am Tatort war«, sagte Dengler. »Aber nicht einmal das können wir beweisen, weil uns der Finger immer noch fehlt.«
»Was glauben Sie, Herr Dengler? Unabhängig von allen Beweisen. Was ist Ihre Meinung?«
»Es gibt oder gab eine geheime Truppe. Sie besteht aus deutschen Geheimdiensten, dem amerikanischenMilitärgeheimdienst und Neonazis für die Schmutzarbeit. Sie haben überall in Europa in den Siebzigerjahren Bombenattentate durchgeführt. In Italien flog das Ganze auf. Diese Truppe nannte sich Gladio. Es spricht alles dafür, dass diese Truppe auch am 26. September 1980 so vorgegangen ist. Mein früherer Chef beim BKA ist sich ihrer Existenz ganz sicher, und Leitner hat wohl dazugehört. Beweisen kann ich es nicht.«
Alexander Merkle erhob sich.
»Besteht die Chance, dass die Drahtzieher dieses Attentats je zur Verantwortung gezogen werden?«
Dengler ließ sich mit der Antwort Zeit. Er betrachtete den Mann. Er mochte etwa fünfzig Jahre alt sein, braun gebranntes Gesicht, offen, gut aussehend, aber von einer unheilbaren Melancholie gezeichnet. Dengler mochte ihn, ohne dass er genau sagen konnte, warum.
Er würde gut an den Tisch mit meinen Freunden passen, dachte er.
»Nein, ich glaube nicht
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