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Das Multiversum 1 Zeit

Das Multiversum 1 Zeit

Titel: Das Multiversum 1 Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hauptsächlich auf Unterlagen und Softscreen-Simulationen.
    Cornelius und Emma waren aber nicht dumm; sie erkannten bald den Subtext des Drills, der da hieß, dass sie in einem wirklichen Notfall kaum etwas zu tun vermochten. Schon eine einzige ernste Verletzung würde die medizinischen Vorräte erschöpfen.
    Und selbst wenn es ihnen gelang, den Patienten so lang zu stabilisieren, dass sie ihn lebend nach Hause zurückbrachten, würden die anderen auf dem langen Rückweg zur Erde einen Invaliden versorgen müssen.
    Die Euthanasie-›Ausbildung‹, die Malenfant durchlaufen hatte und die Durchführung einer wissenschaftlichen und rechtlich validen Autopsie ließ er den anderen jedoch nicht angedeihen.
    In den ersten Wochen blieben sie zum Glück auch gesund.
    Nachdem die adrenalingepuschte Aufregung des Starts und der Neuigkeitswert der Mission jedoch abgeebbt waren, wurden die drei Erwachsenen – er eingeschlossen – von einem starken Gefühl der Isolation niedergedrückt. Er hatte das erwartet. Er hatte psychologisches Training für Langstrecken-Raumflüge erhalten, das hauptsächlich auf russischen Erfahrungen beruhte. Cornelius schien sich zum Beispiel in eine eigene Sphäre zurückgezogen zu haben, wobei seine eigenartig konturenlose Persönlichkeit ihn wie ein zweiter Raumanzug von den anderen abschottete. Malenfant ließ ihn nach Möglichkeit in Ruhe.
    Emma schien von der allgemeinen Depression am stärksten betroffen zu sein.
    Wenn er ihr in die Augen schaute, hatte er manchmal den seltsamen Eindruck, dass sie gar nicht da war, als ob sie nur ein Fragment der alten Emma sei, das ihn verwundert anblickte. Wie bin ich überhaupt hierher gekommen? Das war verständlich. Er hatte sie schließlich ohne jede Vorwarnung verschleppt.
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    Es hätte ihr geholfen, wenn sie imstande gewesen wäre, die Zeit hier auf der O'Neill irgendwie auszufüllen. Aber es gab keine sinnvolle Beschäftigung für sie außer den alltäglichen Aufgaben und dem Training. Es gab natürlich auch E-Bücher an Bord, aber er hatte nur technische Dokumentationen und ein paar Bilderbücher für den Jungen mitgenommen … Kein einziger Roman im ganzen verdammten Speicher, nicht einmal einen der alten bekannten Klassiker-Schinken. Es wäre natürlich ein Leichtes gewesen, Inhalte von der Erde hochzuladen. Obwohl die Berichte und Telemetrie, die er täglich sendete, sicher vom NASA-Personal aufgefangen wurden, schien dort unten niemand geneigt, sich mit ihm zu unterhalten.
    Er versuchte, mit dem starken Schuldgefühl umzugehen.
    Er hatte das Gefühl gehabt, sie mitnehmen zu müssen, und zwar auf einer ganzen Reihe von Ebenen. Dieses Gefühl hatte er noch immer. Trotzdem wäre es im entscheidenden Moment in der Wüs-te leicht gewesen, sie abzuschieben. Er hätte ihr nicht ihr Leben stehlen müssen.
    Wäre da nicht sein Geheimnis gewesen, wären sie vielleicht etwas ehrlicher zueinander gewesen. Wäre da nicht sein Geheimnis gewesen, wären sie allerdings auch nicht hier.
    Nun war es nicht mehr rückgängig zu machen.
    Auf jeden Fall lehnte er es ab, Prozessorkapazitäten für eine E-Therapie oder für den sonstigen modernen Psycho-Schrott zu vergeuden, von dem man, wie er glaubte, nur eine weiche Birne bekam – trotz der Empfehlungen einiger ›Experten‹ während der Missionsplanung. Er wusste, dass es dafür keine Experten gab, weil nämlich noch niemand so weit ins All vorgestoßen war.
    Aber er machte sich Sorgen um das Kind. Obwohl Michael ihm unheimlich war. Woran auch immer das lag, der Junge konnte sicher nichts dafür …
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    Ein Flug im Leerraum war schließlich eine grundlegend neue Erfahrung – auch für Malenfant, der das Gefühl hatte, dass er sich ein Leben lang darauf vorbereitet hätte.
    Immerhin vermochten sie manchmal zu vergessen, dass sie hier in dieser winzigen Metallblase eingesperrt waren und dass es drau-
    ßen nichts gab außer ein paar dahintreibenden Gesteinsbrocken, die ihnen mit zunehmender Entfernung von der Erde immer unbedeutender erschienen.
    Doch die meiste Zeit erschien ihnen alles seltsam.
    Wenn er zu schnell übers ›Frischfleisch‹-Deck ging, spürte er, wie die Coriolis-Kraft einsetzte und ihm wie ein Geist einen Stoß in die Seite versetzte, sodass er taumelte. Und wenn er sich wusch oder etwas trank, schwappte das Wasser in großen trägen Wellen in der Schüssel und pulsierte wie klebriges, viskoses Öl. Wenn er sich die Hände wusch, fühlte das Wasser sich wie immer an, nur dass es als Kügelchen

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