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Das Multiversum 1 Zeit

Das Multiversum 1 Zeit

Titel: Das Multiversum 1 Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sagte Malenfant. »Wir hatten immer geglaubt, die Zukunft wäre wie Amerika. Sauber und leer und darauf wartend, geformt zu werden. Das hatte ich immer geglaubt. Aber unsre Vergangenheit war Afrika. Dunkel und tief. Und so war auch die Zukunft.«
    Ja, sagte Michael.
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    Malenfant machte sich bereit und wandte sich dem Portal zu.
    »Visier runter«, sagte er.
    Michael klappte das goldene Visier herunter und verbarg das Gesicht. Malenfant sah, dass der blaue Ring des Portals vom Visier reflektiert wurde. Dann hob Michael die Hand, wie ein Sohn, der vom Vater an die Hand genommen werden will. Malenfant nahm die Hand. Die Finger des Kindes verschwanden in seinem schmutzigen Handschuh.
    Sie traten vor. Sie sahen einen blauen Blitz und spürten einen stechenden Schmerz …
    ■
    … und Malenfant schwebte im All. Der plötzliche Übergang in die Schwerelosigkeit war ein Schock – als ob er von einer Klippe ge-stürzt wäre. Er musste ein paarmal schlucken, um die Erdnüsse bei sich zu behalten.
    Er war von Sternen umgeben: über, unter und um ihn herum.
    Die Sternbilder der Kindheit wurden vom hellen Schein des tiefen Raums unterlegt. Unter ihm war ein einzelner heller Lichtsplitter.
    Die Sonne? Es war eine Punktquelle, die tiefe, scharf konturierte Schatten auf ihre Anzüge warf.
    Er hielt noch immer Michaels Hand.
    Alles in Ordnung? fragte Michael. Sein Seattle-Dialekt wurde vom Rauschen des Funkgeräts untermalt. Wenn Sie sich unbehaglich fühlen …
    »Es ist alles in Ordnung. Was sehen wir überhaupt, Michael? Die Sonne?«
    Ja. Wir befinden uns oberhalb der Ekliptik. Das heißt, irgendwo über dem Nordpol der Sonne. Wir sind etwa fünf astronomische Einheiten von ihr entfernt. Der fünffache Radius der Erdumlaufbahn, die ungefähre Ent-626
    fernung zwischen Jupiter und der Sonne. Dreiundvierzig Minuten bei Lichtgeschwindigkeit. Was wollen Sie sehen?
    »Die Erde.«
    Dann schauen Sie. Michael wies auf einen Abschnitt des Himmels.
    Malenfant benutzte den Arm als Peilkante und sah einen bläulichen Funken mit einem noch schwächeren Licht daneben.
    … Und plötzlich hing die Erde vor ihm, mit Meeren und Wüsten und Wolken und Eis, wie es immer schon gewesen war. Funken umkreisten sie und trieben auf den Meeren. Schiffe, Menschen, Städte.
    Er hatte einen Kloß im Hals. »O mein Gott«, sagte er.
    Wir sind etwa zweihundert Jahre in der Zukunft. In unsrer Zukunft.
    »Das Datum der Carter-Katastrophe. Dann war Cornelius' Prognose also richtig. Er würde sich freuen …«
    Malenfant. Wir haben wenig Zeit. Wenn Sie die Änderung vornehmen und zurückgehen wollen, muss es jetzt geschehen.
    Er trieb mit gespreizten Gliedern im All und dachte an Emma.
    »Wie mache ich das?« flüsterte er.
    Sagen Sie mir nur, was Sie wollen.
    »Werde ich mich erinnern?«
    Bewusstsein umspannt die Vielfalt.
    Ich weiß nicht, ob ich die Kraft dazu habe, sagte er sich.
    »Sie wird mich vergessen. Oder, Michael?«
    Ich bin nur ein Kind, sagte er. Woher soll ich das wissen?
    Ihre Entscheidung, Malenfant. Bewahren Sie sie in der Erinnerung oder geben Sie ihr das Leben zurück.
    »Tu es«, flüsterte er.
    … Und das Universum drehte sich um ihn, die Linien der Möglichkeit verdrillten sich und knüpften neue Muster aus Wahrheit und Traum, und er klammerte sich an den Jungen.
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Emma Stoney:
    … Der Tod hatte mich immer schon fasziniert. Seit dem Tod meines Vaters, glaube ich. Ich war damals noch ein Kind. Die endlos langen Rituale der Beerdigung und der Trauer, die morbide Verrichtung, die Leichen zu transportieren, sie anzuziehen und einzu-sargen. Es war, als ob wir Menschen eine Art Kontrolle über die schreckliche Willkür zu erlangen versuchten, einen Schutz vor der Endgültigkeit.
    Aber diese Endgültigkeit trat für mich ein, als der Körper meines Vaters schließlich im Grab lag und sich nicht mehr bewegte – für immer, wie ich mir bewusst wurde. Ich erinnere mich, dass ich ins Grab steigen, ihn ausgraben und irgendwie wiederbeleben wollte. Doch schon im Alter von acht Jahren wusste ich, dass das un-möglich war.
    Das ganze zeremonielle Brimborium ist auf die Bedürfnisse der Lebenden ausgerichtet. Dennoch liegt jedem Begräbnis ein Myste-rium zugrunde: dass ein fühlendes, denkendes Wesen aufgehört hat zu existieren. Das ist eine brutale Realität, der zu stellen unsre Kultur sich schlicht weigert – die Realität des Todes für den Sterbenden.
    Und das ist die Realität meines Lebens, Maura: dass, wenn ich mit Malenfant an Bord dieser

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