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Das Multiversum 1 Zeit

Das Multiversum 1 Zeit

Titel: Das Multiversum 1 Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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die ganze Kleidung ausgezogen hatte, schob sie ihn in die Mitte des Raums, weg von den Wänden. Dann ging sie zur Tür hinaus und schloss sie hinter sich.
    Er blieb in der Mitte des Raums stehen, weil man ihm nichts anderes gesagt hatte.
    Und dann schoss Wasser aus der Decke, in einem starken nadelförmigen Strahl. Er prasselte gegen die Wände und auf seinen Körper. Zuerst hielt er es für Regen. Zu Hause hatte es im Sommer Regen gegeben. Doch hier regnete es nie.
    Der Regen aus dem Dach wurde immer stärker und schmerzte schließlich. Das Wasser roch komisch, wie der Geruch der Flüssigkeit, mit der die Schwestern manchmal das Wohnheim reinigten.
    Und es wurde heißer. Er stolperte rückwärts und stützte sich an der harten rutschigen Wand ab, aber der Regen schien ihm zu folgen, und es gab keinen Ort, an dem er Zuflucht fand – nicht einmal ein paar Kinder, hinter denen er sich zu verstecken vermocht hätte.
    Vielleicht war das seine Strafe. Vielleicht wurde er wegen der Taschenlampe bestraft.
    Er kauerte sich in die Ecke, in den Winkel der Wände. Er sah, wie das Wasser vom Körper ablief und in einem Loch in der Mitte 256
    des Raums verschwand. Das Wasser war schwarz-braun gefärbt, doch nach einiger Zeit wurde es klarer.
    Emma Stoney:
    Die schlechten Nachrichten, die von den Schulen der Blauen Kinder an die Öffentlichkeit drangen, hatten Emma zusehends beunruhigt. Doch die Zustände in Red Creek übertrafen ihre schlimmsten Befürchtungen.
    Red Creek erwies sich als Aborigines-Reservat im Northern Ter-ritory von Australien, das von der nationalen Regierung ›Terra Nullius‹ wiedereröffnet worden war. Einen Teil davon hatte man hastig als Standort für diese Stiftungs-Schule abgetrennt. Sie wurden von einem ›Bruder‹ herumgeführt – einem stattlichen jungen Portugiesen, der mit einem weiten schwarzen Gewand mit Stehkra-gen bekleidet war.
    Es war ein deprimierender Ort.
    Sie sahen Baracken, deren ursprünglich weißer Anstrich zu einem schmutzigen Pink ausgebleicht war. Andere Farben schien es hier nicht zu geben, außer dem rotgrauen Staub, der das sonnendurchglühte, erodierte Herz Australiens überzog. Der Staub war allgegenwärtig, und sie wirbelte beim Gehen eine große Wolke auf.
    Jenseits des Eingangsbereichs schien es überhaupt keine Vegetation zu geben, keinen einzigen Grashalm. Es lag ein Geruch nach Staub, schmutziger Kleidung, Exkrementen und Urin in der hei-
    ßen Luft.
    Sie durfte die Hütten nicht betreten und sah auch keine Kinder.
    Hier in Red Creek vegetierten dreihundert Kinder unter men-schenunwürdigen Bedingungen. Cornelius und der Bruder äußerten sich aber nicht dazu. Der Bruder schwärmte stattdessen von 257
    der effizienten Verwaltung der Schule und dem Rest der gin- Reservation.
    Gin. Dieses Wort bezog sich auf die Aborigines. Es schien einen abfälligen Klang zu haben. Genauso wie der Bruder die Kinder als Blaue bezeichnete. Obwohl die meisten Kinder hier schwarz wären, wie er bemüht scherzhaft sagte.
    Terra Nullius – die Bezeichnung der australischen Regierungs-partei – bedeutete ›leeres Land‹. Das leitete sich aus der alten Fiktion ab, dass Australien unbewohnt war, als Captain Cook dort die Flagge hisste, und dass die Aborigines kein Recht auf das Land hätten, das sie seit Jahrtausenden bewohnt hatten. Ein passender Name für die skrupellose Politik, die die Regierung betrieben hatte.
    Die australischen Ureinwohner hatten eine Jahrhunderte währende Diskriminierung erduldet. Man hatte ihnen das Land geraubt, Eltern ihre Kinder entrissen, um sie als Diener und Arbeiter zwangszuverpflichten und so weiter. Es hatte in den Siebzigern einen kurzen ›Frühling‹ gegeben, als liberale, wenn auch unzurei-chende Gesetze verabschiedet worden waren. Das war jedoch Schnee von gestern, als die Wirtschaft um die Jahrhundertwende auf Talfahrt ging und die Bodenerosion sich in voller Schärfe aus-wirkte.
    Heute machten schwarze Kinder gerade einmal drei Prozent der Jugendlichen in Australien aus, dafür aber sechzig Prozent der in-haftierten Jugendlichen. Internationale Menschenrechtsorganisatio-nen und Verbände der Aborigines sprachen von Folter, Misshand-lungen und dergleichen.
    Das moderne Australien war ein geeigneter Ort für eine solche Schule. Und die ›Pädagogen‹, die dort Dienst taten.
    Der portugiesische Bruder gehörte zu einer christlichen Gruppe, die sich ›Orden Christi‹ nannte. Er war Teil der zwielichtigen Koalition, die von der Milton-Stiftung

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