Das Multiversum 2 Raum
verursachte.
Er durchlebte Schlaf-und Wachphasen. Vielleicht vergingen Ta-ge; er hatte keine Möglichkeit, den Lauf der Zeit zu bestimmen.
Er wurde niedergeschlagen.
Er wurde ängstlich. Er verfluchte Nemoto wegen des neuerlichen Exils.
Er presste den alten ruinierten Raumanzug an die Brust und strich mit schmerzenden Händen über das Missionsabzeichen und das Sternenbanner, die vom harten Licht von Alpha Centauri ausgebleicht waren. Er betrachtete das Bild von Emma, des einzigen menschlichen Gesichts hier und weinte wie ein Baby.
Valentina ließ ihn gewähren.
Und zu seiner Überraschung ging es ihm allmählich wieder besser. Nach einiger Zeit war er sogar imstande, sich aufzusetzen und selbst zu essen.
Valentina, eine dreckstarrende Neandertalerin mit nacktem Arsch heilte ihn von der Strahlenkrankheit. Er hatte keine Ahnung, wie sie das anstellte, aber er war auf jeden Fall dankbar da-für. Vielleicht war hier eine Art Nanomaschine am Werk und behob den gesundheitlichen Schaden, den er erlitten hatte, auf der molekularen Ebene. Er hatte schon Beweise dafür gesehen, dass die Erde mit uralten Maschinen von jenseits der Sattelpunkte, von den Sternen angefüllt war.
Oder vielleicht lag es auch nur an der Suppe.
■
Bald vermochte Malenfant wieder die ersten Schritte zu tun.
532
Die Neandertaler ignorierten ihn meistens. Sie schritten über ihn hinweg und um ihn herum, als ob sie ihn nicht einmal wahrnähmen.
Für ihn waren die Neandertaler hingegen ein Kuriosum.
Er zählte ungefähr dreißig Individuen, die sich in dieses Zelt gequetscht hatten. Da waren Erwachsene, gebrechliche alte Leute und Kinder bis hinunter zu Säuglingen. Aber er wusste, dass es noch lang dauern würde, bis er so vertraut mit ihnen war, dass er einzelne Personen zu unterscheiden vermochte. Er war der Archetyp des Reisenden in einem fremden Land, für den alle Einheimischen gleich aussahen.
Die Frauen schienen so stark wie die Männer. Sogar die Kinder mit Muskeln wie olympische Kugelstoßer beteiligten sich an den alltäglichen Verrichtungen. Unter Einsatz der Zähne und anderer Werkzeuge zerteilten sie Fleisch und schabten Felle ab – Fleisch, das, wie er vermutete, von der Erde durch die Sattelpunkt-Tore transportiert worden war, durch die er selbst gegangen war. Das Fleisch wurde zum Teil in Herden geröstet, sofern man sie überhaupt als solche bezeichnen wollte: Es handelte sich nur um flache Mulden im Boden, die mit im Feuer erhitzten Steinen ausgelegt und mit Erde bedeckt waren. Das zartere Fleisch ging an die Kinder und an Malenfant, der es von wem? – von Valentina bekam.
Die Erwachsenen aßen das Fleisch meistens roh; sie zerrissen es mit den kräftigen Kiefern und kauten so lang darauf herum, bis sie es hinunterschlucken konnten.
Ein alter Mann zeigte eine gewisse Neugier für Malenfant. Eine Gestalt, die stark humpelte und gebückt ging, sodass der Bauch über den verschrumpelten Penis herabhing. Malenfant beschloss, ihn Esau zu nennen. Die Schöpfung, wenn er sich recht erinnerte: Siehe, mein Bruder Esau ist rau, doch ich bin glatt.
Malenfant schaute Esau in die Augen und fragte sich, was er dachte. Er fragte sich, wie er dachte.
533
Das ist mein Verwandter, aber so entfernt, dass er eine fremde Spezies verkörpert; ein fremdes Bewusstsein. Als meine Urahnen sich von Afrika ausbreiteten, trafen sie sogleich auf Aliens, die Eeties der tiefen Vergangenheit: Der erste echte Kontakt. Und als die letzten Neandertaler in irgendeiner Höhle in Frankreich, Spanien oder China im Sterben lagen, musste ein letzter Kontakt erfolgt sein: Der letzte, den wir für dreißigtausend Jahre gehabt hatten, bis die Gaijin im Asteroidengürtel auftauchten.
Ein verdammt hartes Schicksal, eine so lange Zeit allein zu sein.
Die Neandertaler hatten ein mobiles Sattelpunkt-Tor. Als sie es aufstellten und in Betrieb nahmen, staunte Malenfant Bauklötze.
Es war ein blauer, vielleicht drei Meter durchmessender Reif. Sie waren imstande, mit dem charakteristischen blauen Blitz durch ihn hindurchzugehen und Io zu verlassen; später kehrten sie mit Lasten zurück, hauptsächlich Steine, Fleisch und Metallkanister, die vielleicht Sauerstoff enthielten. Das musste ihre Verbindung zur Erde, zur Kimera-Mine sein – der Weg, auf dem er hierher gebracht worden war.
Er spielte mit dem Gedanken an Flucht. Mit der Rückkehr zur Erde. Aber dieser Weg würde ihn nur zur Kimera- Maschine führen, die den Tod bedeutete; und selbst wenn es ihm gelang,
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