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Das Multiversum 2 Raum

Das Multiversum 2 Raum

Titel: Das Multiversum 2 Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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eine menschenähnliche Sprache zu entwickeln, wie ausgeprägt ihr tief eingebettetes Bewusstsein war. Weil von alledem nichts mehr existierte.
    Die Gaijin hatten den Neandertalern zu einer kurzen Renais-sance verholfen, um sie für ihre Zwecke einzuspannen. Allerdings hatten sie der Evolution damit kein Schnippchen geschlagen, weil diese Neandertaler eben nicht diejenigen waren, die ausgestorben waren; sie hatten keine Erinnerung an ihre Vorfahren, keine Kontinuität. Das Aussterben der Neandertaler in der tiefen Vergangenheit der Erde hatte Perspektiven und Erinnerungen begraben, die Vergangenheit von der Zukunft getrennt.
    Und nun befürchtete Malenfant, dass der Zeitpunkt eines noch viel größeren Auslöschungs-Ereignisses nahte: Eine Auslöschung über viele Sternensysteme, die so allumfassend war, dass nicht einmal Knochen und Werkzeuge zurückbleiben würden, mit denen zukünftige Archäologen sich zu befassen vermochten.
    ■
    Valentina weckte ihn mit einem Tritt. Sie winkte ihm – eine universale Geste – und reichte ihm den Anzug.
    Benommen streifte er ihn sich über und folgte ihr aus dem Zelt.
    Draußen erleichterte er sich und ließ den Blick schweifen. Auf Io herrschte Sonnenfinsternis – der Stecknadelkopf der Sonne 547
    stand hinter dem Jupiter. Der Boden wurde vom Schatten des Riesenplaneten verdunkelt und nur von Sternenlicht und einem aure-alen Glühen Jupiters erhellt, der sonst nichts als ein Loch im Himmel war.
    Während ihm die warme Flüssigkeit unangenehm am Bein hinunter lief, stolperte er Valentina hinterher, die bereits über die verkrustete Ebene marschierte.
    Die Gruppe bestand aus fünf Neandertalern und Malenfant. Sie alle trugen Werkzeugbeutel. Die Neandertaler bewegten sich in einem hüpfenden Trab, bei dem Malenfant trotz der niedrigen Schwerkraft kaum mitzuhalten vermochte.
    So ging das über eine Stunde, vielleicht noch länger. Dann blieben sie plötzlich stehen. Malenfant beugte sich nach vorn und stützte sich keuchend auf die Knie.
    Hier war etwas. Eine Linie im Boden, die im Sternenlicht silbern funkelte. Sie verlief schnurgerade zum geschwollenen Antlitz des Jupiter.
    Malenfant erkannte die Beschaffenheit. Es war das gleiche Material, das er an den Wurzeln der Bäume im Orbit gesehen hatte: Material, das man auf der Oberfläche der Venus gefunden hatte.
    Es war ein Supraleiterkabel.
    Die Neandertaler gaben sich eifrig Zeichen und drückten ein Ge-rät ans Kabel. Malenfant vermochte nicht zu erkennen, was genau sie dort machten. Vielleicht handelte es sich um eine Art Diagno-sewerkzeug. Nach ein paar Minuten richteten sie sich auf und gingen weiter.
    Während sie unterwegs waren, näherte die Sonnenfinsternis sich dem Ende. Die Sonne lugte hinter dem Jupiter hervor und stieg als geschrumpfte Scheibe durch Wolkenschichten empor; gelb-oranges Licht strömte durch die wirbelnden Wolkenbänke und warf Schatten länger als der Erddurchmesser.
    548
    Das Morgenlicht fiel auf Ios Flussröhre. Es war wie ein riesiger Tornado, der über ihm aufragte. Die Flussröhre war ein dunstiger Strom geladener Teilchen, die von Ios emsigen Vulkanen empor geschleudert wurden und auf eleganten Kurven des Magnetfelds dem Riesenplaneten entgegenstrebten. Und wo die Röhre in die obere Jupiter-Atmosphäre eindrang, Hunderte von Kilometern über den Wolkenbänken des Planeten, fanden unablässig Explosionen statt: Gase, die heißer waren als die Sonnenoberfläche, wurden mit orbitaler Geschwindigkeit um den riesigen Planeten gezerrt und erzeugten zuckende Auroras mit einem Durchmesser von ein paar hundert Kilometern.
    Io, ein planetengroßer Himmelskörper, der durch Jupiters Magnetosphäre wanderte, glich einem riesigen elektrischen Generator.
    Es entstand eine Potentialdifferenz von ein paar hunderttausend Volt mit dem Monddurchmesser als Gradient, und Ströme mit einer Stärke von Millionen Ampère flossen durch die Ionosphäre.
    Malenfant, der an seinem Standort direkt in die Flussröhre schaute, wurde von der körperlichen Wucht der Energie schier er-drückt; fast hätte er ängstlich gewimmert und sich vor dem Sturm hochenergetischer Teilchen geduckt, die vom Himmel regnen mussten. Aber er blieb stehen und trotzte diesem gottartigen Ener-gieausbruch. Nicht vor den Neandertalern, sagte er sich.
    Bald kamen sie an eine Stelle, wo das Kabel unter einem Strom erstarrter schwefliger Lava begraben war. Nach einer schnellen Zei-chenfolge packten die Neandertaler primitive Schaufeln und Ha-cken aus.

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