Das Multiversum 2 Raum
Innern eines Berges in Afrika und nun hier auf Io. Es war das Glühen der Sattelpunkt-Tore.
Er wollte Valentina und den anderen Fragen dazu stellen. Aber ihm fehlten die Worte, und sie verscheuchten ihn mit Schlägen.
Nach einiger Zeit – es mochten ein paar Tage verstrichen sein – schlugen die Neandertaler die Matte wieder zurück und öffneten das Grab.
Zu Malenfants Erleichterung war der Gestank nicht allzu schlimm und wurde noch durchs Schwefeldioxid kaschiert. Sind vielleicht die falschen Bakterien im Boden, sagte er sich.
Valentina griff ins Grab und zog die metallene Stange heraus. Sie zeigte keine Anzeichen des Kummers, die damals bei ihr zu sehen waren.
Die Neandertaler schaufelten das Grab ohne Umschweife wieder zu.
Malenfant kam nah genug heran, um einen Blick ins Grab zu werfen. Es war leer. Er bekam eine Gänsehaut.
Er versuchte, die Stange zu begutachten. Vielleicht war sie der Grund für dieses xenonblaue Sattelpunkt-Glühen und das Verschwinden der Leiche. Aber das Mädchen versteckte sie.
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■
Wieder ging ein Wartungstrupp am Kabel entlang. Valentina und Malenfant waren auch dabei. Malenfant war in Gedanken versunken und ignorierte die phantastische Szenerie, ignorierte sogar die Schmerzen im restaurierten Körper.
Sein Kopf schien wieder zu funktionieren, wenn er auch noch nicht wieder ganz auf der Höhe war.
Dabei war das Arrangement mit den Gaijin keine einseitige Sache. Für die Neandertaler schienen sich auch Vorteile zu ergeben, und zwar größere als das Geschenk dieses entlegenen Mondes.
Er dachte an den xenonblauen Sattelpunkt-Blitz, der aus dem Grab des alten Esau gefahren war. Die Funktionsweise von Sattelpunkt-Teleportations-Toren bedeutete die Zerstörung eines Körpers mit dem Ziel, die quantenmechanische Struktur zu speichern.
Jeder Durchgang durch ein Tor war wie ein kleiner Tod. Vielleicht hatte der Stab von Kintu, das kleine metallene Artefakt, die Struktur des sterbenden Alten aufgezeichnet.
Vielleicht waren Esau – und die Vorfahren der Neandertaler über einen Zeitraum von ein paar Jahrhunderten – auf die eine oder andere Art noch lebendig, als im Stab gespeicherte Sattelpunktsigna-le. Kein Wunder, dass die Neandertaler das Artefakt als höchstes Heiligtum hüteten. Vielleicht war das ihre Belohnung, das Weiterleben im Stab, bis …
Bis was?
Bis sie genug Energie für die mächtigen Maschinen gewonnen hatten, die Io umhüllten, sagte er sich. Bis Kintu bereit war, seinen Stab bis zum Nabel zu werfen. Genauso wie in den Liedern.
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Er grinste angesichts der Erkenntnis. Dieser Stab, der in einem Neandertaler-Rucksack lag, war gar kein Totem. Er war ein raffi-niertes Raumschiff.
Und dafür speicherten sie die Energie des natürlichen Dynamos, der Io war.
Malenfant packte Valentina erregt am Arm. »Hör mir zu.«
Sie hob die Hand und holte zum Schlag aus.
Er wich zurück und versuchte es mit Zeichensprache. Warte. Sag mir, du sagst mir. Stab von Kintu, Nabel. Ihr geht in Nabel, in Stab.
Nabel was Nabel, was was was? »Ach verdammt. Was produzieren die Gaijin hier? Antimaterie? Was ist der Nabel? Ist er das Ziel, das die Gaijin anstreben?« Sie versetzte ihm einen Schlag, der ihn um-warf, aber er redete weiter. Nabel.
»Kintu hat Bauch, Bauch, Nabel … Ich habe recht, stimmt's?«
Sprich wahr, wisse wahr. »Ich …«
Sie wollte ihn schon wieder schlagen.
Plötzlich wurde ihm der Boden unter den Füßen zu heiß. Er hatte das Gefühl, auf einer Herdplatte zu stehen. Instinktiv wich er zurück, bis er einen kühleren Platz erreichte.
Valentina hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Sie schaute mit einem verwirrten Ausdruck nach unten. Der im allgegenwärtigen Rot leuchtende Boden verdunkelte sich. Blaues Gas eruptierte um Valentinas Füße wie ein Bühnen-Effekt.
Es war ein Vulkan, der unter Valentina ausbrach.
Als der Boden aufriss, nahm er das gar nicht zur Kenntnis. Er machte nur einen Satz und streckte die Arme aus. In Ios schwacher Gravitation schien der Sprung eine halbe Ewigkeit zu dauern.
Er traf sie an der Schulter. Trotz der größeren Masse und des tiefen Schwerpunkts taumelte sie von der Bodenspalte zurück und fiel auf festen Untergrund, wo sie in Sicherheit war.
Malenfant hingegen war in der Bredouille.
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Mit gespreizten Gliedmaßen fiel er im Zeitlupentempo in die Spalte, die sich zu einer Grube mit brodelndem flüssigem Schwefel verbreitert hatte. Er spürte, wie die Haut am Oberkörper und im Gesicht Blasen warf und wie
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