Das Multiversum 2 Raum
Stirn.
Malenfant grinste und übersetzte. »Hallo, Dummkopf.« Malenfant schien sich aufrichtig zu freuen, diesen alten Neandertaler wieder-zusehen.
Plötzlich regte Kassiopeia sich, und Malenfant packte seinen Arm. »Malenfant. Schau!«
Ein neuer Stern ging überm Tal, überm neu konfigurierten Horizont auf und überstrahlte das Hintergrund-Leuchten.
Es war ein Neutronenstern, ein heller roter Punkt. In der Nähe des Sterns waren viele Lichtkleckse. Sie hatten eine Struktur mit Adern und Bändern, sahen aus wie Schmetterlingsflügel an diesem lodernden zwergenhaften Körper. Sie glühten rosig und in einem unheimlichen Blau, vielleicht durch die Synchrotronstrahlung beschleunigter Elektronen.
Und da war etwas neben dem Stern. Es sah aus wie ein Netz – mützenförmig wie das Netz eines Schmetterlingssammlers und war dem Stern zugewandt, als ob es ihn einfangen wollte.
Offensichtlich künstlich.
Kassiopeia sagte: WIR SIND NOCH NICHT AM ZIEL UNSERER REISE.
MALENFANT. WIR MÜSSEN INS GALAKTISCHE ZENTRUM SELBST VOR-STOSSEN. DAS STREBEN WIR AN.
673
»Das ist der Standort eines Gammastrahlers«, sagte Malenfant.
»Eines zukünftigen Neustart -Ereignisses. Ich habe recht; stimmt's, Kassiopeia?«
DER BEGLEITER DES STERNS IST NOCH ZIEMLICH WEIT ENTFERNT – MILLIARDEN KILOMETER. ZU WEIT WEG, ALS DASS MAN IHN SCHON
SEHEN KÖNNTE. UND DOCH HAT DIE KONVERSION BEREITS BEGONNEN. DIE KOLLISION IST UNVERMEIDLICH. ES SEI DENN …
»Es sei denn, irgendjemand unternimmt etwas dagegen«, flüsterte Madeleine.
Das seltsame Artefakt stieg immer höher in den Himmel, wie ein ätherischer, komplexer Mond. Es war ein Netz, das zwischen den Sternen aufgespannt war. Es musste ein paar tausend Kilometer groß sein.
Madeleine wollte nicht glauben, dass es nur ein paar Meter über ihrem Kopf hing, fast so nah, dass sie es zu berühren vermocht hätte. Das menschliche Bewusstsein war einfach nicht darauf pro-grammiert, riesige planetenumspannende Artefakte am Himmel zu sehen. Stell es dir als Aurora vor, sagte sie sich, diese Vorhänge aus Licht, die hoch über der Luft flattern, die du atmest. Und nun stell dir das vor: Es hängt viel höher als jede Aurora, ist im Raum aufgespannt, vielleicht hinter dem Mond …
Aber da stimmte etwas nicht: Das Netz war offensichtlich ka-putt; große Löcher waren in die Struktur gerissen.
»Es ist beschädigt«, sagte Malenfant.
IHR WÜRDET DAS ALS EIN KADOV-SEGEL BEZEICHNEN …
Es war ein Ding aus Materie und Energie, mit einer zarten Takelage und Magnetfeldern: Ein Schirm, um die Strahlung des Neutronensterns und den Sonnenwind abzuhalten. Aber es war durch unsichtbare Stränge aus Gravitation mit dem Stern vertäut.
»Aha«, sagte Madeleine. »Ihr zerstört die Symmetrie des Sonnenwinds. Du verstehst, Malenfant? Der Wind vom Stern bläht das 674
Segel. Aber wegen der Schwerkraft verändert das Segel seine Position zum Stern nicht. Also wird der Wind zurückgelenkt …«
»Das ist eine Sternenrakete«, sagte Malenfant. »Es nutzt den Sonnenwind, um den Stern abzudrängen.«
GENAU DAS IST DER ZWECK. WENN ES FERTIG IST, WIRD ES EINE
SCHEIBE MIT EINEM DURCHMESSER VON HUNDERTTAUSEND KILOMETERN SEIN. SIE WIRD MIT INTELLIGENZ IMPRÄGNIERT SEIN, EIN DYNAMISCHES OBJEKT, DAS IN DER LAGE IST, DEN SONNENWIND DES
STERNS IN EINE BELIEBIGE RICHTUNG ZU LENKEN UND AUF SEINE
KOMPLEXEN STRÖMUNGEN ZU REAGIEREN.
Malenfant grinste. »Brandheiß. Es schlägt wirklich jemand zu-rück.«
»Wer baut dieses Ding«, fragte Madeleine. »Ihr?«
NICHT WIR ALLEIN. VIELE RASSEN SIND HIER ZUSAMMENGEKOM-MEN UND BETEILIGEN SICH AM BAU DES SEGELS. ES SCHEINT SICH
UM EIN RELIKT AUS EINEM FRÜHEREN ZYKLUS ZU HANDELN, AUS DER
ZEIT VOR DEM LETZTEN NEUSTART.
»Wie das Sattelpunkt-Netzwerk.«
Madeleine schaute skeptisch auf die große, unglaubliche Struktur. »Wie kann ein solches Segel einen Neutronenstern überhaupt bewegen – ein Objekt, das viel massiver ist als die Sonne?«
DER SCHUB IST SEHR SCHWACH, DIE BESCHLEUNIGUNG MINIMAL.
ÜBER EINEN ENTSPRECHEND LANGEN ZEITRAUM VERMAG ABER
AUCH EIN SCHWACHER SCHUB WELTEN ZU BEWEGEN. SOGAR STERNE.
»Und wird das ausreichen, um den Zusammenprall dieses Doppelsterns und den Neustart zu verhindern?«
ER SOLL GAR NICHT VERHINDERT WERDEN. ER SOLL NUR LANG
GENUG AUFGESCHOBEN WERDEN. FALLS ES UNS GELINGT, DIESEN
STERILISATIONS-EFFEKT ZU VERHINDERN …
»Könnten wir Zeit gewinnen«, sagte Malenfant.
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»Ist das wirklich die beste Option?«, fragte Madeleine den
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