Das Multiversum 2 Raum
verlor das Gefühl für Oben und Unten – dafür wurde ihm übel. Ein neuer Anfall des Weltraum-Anpassungssyn-droms, der ihn für vier Stunden außer Gefecht setzte.
Inzwischen zündete die Perry die Distickstofftetroxid-und Hydrazin-Rückstoßdüsen und drehte sich um hundertachtzig Grad 91
um die Querachse. Damit wurde die lange Verzögerung zum Sonnenbrennpunkt eingeleitet.
Die Perry hatte nun die Höchstgeschwindigkeit von ungefähr sie-bentausend Kilometern pro Sekunde erreicht, was zwei Prozent der Lichtgeschwindigkeit entsprach. Bei solchen Geschwindigkeiten traten die großen supraleitenden Schleifen in Aktion und errichteten einen Plasmaschirm vor dem Schiff, der es vor dem dünnen interstellaren Wasserstoff schützte, den es durchflog. Dieses Wendemanöver war der gefährlichste Teil des Flugs, denn es bedurfte einiger Geschicklichkeit, das Plasmafeld immer in Flugrichtung zu positionieren.
Die Perry war mit Abstand das schnellste von Menschenhand erschaffene Schiff – also war er logischerweise auch der schnellste Mensch, sagte Malenfant sich. Nicht dass es zu Hause irgendje-manden interessierte.
Das gefiel ihm. Es klärte die Verhältnisse.
Hinter den Fenstern, zwischen Malenfant und den Sternen war nur noch Schwärze. Er war nun fünfhundert astronomische Einheiten von der Sonne entfernt und hatte die letzten Planeten weit hinter sich gelassen; selbst Pluto hatte nur einen Bahnradius von etwa vierzig astronomischen Einheiten. Seine einzigen Begleiter dort draußen waren rätselhafte Eismonde des Kuiper-Gürtels. Die Gesteins-und Eisbrocken verharrten seit der Geburt der Sonne in jungfräulichem Zustand, und jeder von ihnen war weiter voneinander entfernt als die Planeten des inneren Sonnensystems. Noch weiter draußen lag die Oort-Wolke, die schemenhafte Kometen-Sphäre aus den Tiefen des Alls; die Innengrenze der Oort-Wolke war mit dreißigtausend astronomischen Einheiten sogar außerhalb der Reichweite dieser Langzeit-Mission.
Als das Wendemanöver abgeschlossen war, richtete er die großen Teleskope und Instrumententräger in Flugrichtung auf den Sonnenbrennpunkt aus.
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»Sie müssen doch wieder zurückkommen wollen. Sie haben doch sicher Familie.«
»Nein.«
»Und …«
»Schauen Sie, Sally, seit der Entdeckung der Gaijin haben wir nichts anderes getan als geredet – zwölf Jahre lang. Jemand muss etwas tun. Und wer wäre dafür besser geeignet als ich? Deshalb werde ich bis zu den Grenzen des Systems gehen, wo es bestimmt zu einer Begegnung mit den Gaijin kommt.« Er grinste. »Ich glaube, wenn ich sie erst einmal erreicht habe, werde ich alle anderen Hürden auch noch nehmen.«
»Viel Glück, Malenfant«, sagte sie mit einem Schauder. Sie hatte das Gefühl, dass sie ihn nie mehr wiedersehen würde.
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Die Perry gelangte zu einem relativen Stillstand. Aus einer Entfernung von tausend AE war die Sonne ein überheller Stern im Sternbild Cetus, und das innere System mit den Planeten, Menschen, Gaijin und dem ganzen Drumherum war nur noch ein Lichtklecks.
Der im Wohnmodul eingezwängte Malenfant verbrachte eine Woche mit der Untersuchung der Umgebung. Er wusste, dass er sich annähernd im richtigen Raumsektor befand, eine gewisse Feh-lertoleranz vorbehalten. Falls sich hier draußen aber ein großes interstellares Mutterschiff aufhielt, würde er es wohl kaum übersehen.
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Aber da war nichts.
Er machte sich auf die Suche nach dem Sonnenbrennpunkt von Alpha Centauri, wobei er die Perry mit den Steuertriebwerken und gelegentlichen Fusionsimpulsen bewegte.
Die Krümmung der Gravitationslinse war erstaunlich stark. Alpha Centauris Brennpunkt hatte nur einen Durchmesser von ein paar Kilometern im Vergleich zu den hundert Milliarden Kilometern, die Malenfant zurückgelegt hatte, um zu diesem Punkt zu gelangen.
Er nahm sich Zeit, um Brennstoff zu sparen.
Endlich wurde er fündig. Im optischen Teleskop erschien ein Bild von Alpha Centauri A, der größten Komponente des multiplen Alpha-Systems. Das Bild des Sterns wurde zu einem Kreis verzerrt, einem schwachen orangefarbenen Lichtring.
Er zeichnete so viele Daten auf wie möglich und sendete sie blitzschnell über die Laserverbindung zur Erde. Dort würden lei-stungsstarke Computer das Bild entzerren und es in eine Abbildung des Alpha Centauri-Sternensystems umwandeln. Vielleicht würden sie sogar noch die Planeten abbilden, die die beiden Hauptsterne umliefen.
Allein diese Daten müssten die Mission gegenüber den Sponsoren
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