Das Multiversum 2 Raum
durchzuführen. Sie sind unter vierzig und haben damit das richtige Alter. Sie haben keine Familienangehörigen, von denen wir wüssten.« Er seufzte. »Vor hundert Jahren hätten wir John Glenn geschickt. Heute sind Leute wie Sie die geeig-netsten Kandidaten. Sie werden auch gut bezahlt.« Er nickte Madeleine zu. »Glauben Sie mir, sehr gut bezahlt.«
Madeleine ließ sich das durch den Kopf gehen und suchte nach dem Haken an der Sache. »Diese Proton ist sechzig Jahre alt, die Konstruktion noch älter. Ihr Budget ist nicht allzu üppig, was?«
Paulis zuckte die Achseln. »Meine Taschen sind nicht mehr so tief, wie sie einmal waren.«
»Was spielt denn das Budget für eine Rolle«, sagte Brind pikiert.
»Um Gottes willen, Meacher, haben Sie denn gar keine Visionen?
Ich biete Ihnen hier die Chance, zu den Sternen zu reisen. Mein Gott – wenn ich Ihre Qualifikation hätte, würde ich sofort zuschlagen.«
»Zumal Sie auch nicht die Erste sind«, sagte Paulis. »Reid Malenfant …«
»… ist verschollen. Außerdem wäre ich gar kein richtiger Astronaut«, sagte Madeleine säuerlich. »Stimmt's? Als lebende Fracht in einem Blumenschiff der Gaijin mitzufliegen zählt nicht.«
»Viele Leute teilen Ihre Ansicht«, sagte Paulis. »Deshalb hatten wir auch solche Mühe, die Finanzierung hinzubekommen. Niemand interessiert sich unter diesen Umständen noch für menschliche Raumfahrt. Die meisten Leute lehnen sich zurück und warten darauf, dass die Gaijin weitere interstellare Gimmicks am Fallschirm abwerfen …«
»Wieso schicken Sie nicht gleich einen automatisierten Instrumententräger hoch? Wieso überhaupt einen Menschen ins All schicken?«
»Nein.« Brind schüttelte energisch den Kopf. »Wir wollen auf jeden Fall einen menschlichen Operator.«
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»Wieso?«
»Weil wir wollen, dass ein Mensch mitfliegt. Ein Mensch wie Sie, bei Gott. Wir halten es für wichtig, auf Augenhöhe mit ihnen zu verkehren.«
Madeleine lachte. »Auf Augenhöhe? Wir schleppen uns in den Orbit und treffen uns mit einem riesigen außerirdischen Raumschiff, das imstande ist, die Grenzen des Sonnensystems zu erreichen?«
»Symbolismus, Meacher«, sagte Paulis düster. »Symbole sind alles.«
»Woher wollen Sie überhaupt wissen, dass die Gaijin auf Symbole ansprechen?«
»Vielleicht tun sie das nicht. Aber Menschen tun es. Und es sind die Menschen, für die ich mich interessiere. Offen gesagt, Meacher, sind wir auf unsren Vorteil bedacht. Nicht jeder glaubt, dass wir uns in die völlige Abhängigkeit von den Gaijin begeben sollten. Sie werden dort draußen freie Hand haben. Wir brauchen jemanden mit – Verstand. Es ergeben sich vielleicht – Möglichkeiten.«
»Welche Möglichkeiten?«
»Die Menschen vom Joch der Gaijin zu befreien«, sagte Paulis.
Zum erstenmal schwang ein Anflug von Zorn und Leidenschaft in seiner Stimme mit.
Es dämmerte Madeleine.
Es gab verschiedene ominöse Gruppen, die mit den Abkommen, die die Regierungen und Unternehmen mit den Gaijin getroffen hatten, nicht einverstanden waren. Dies war keine Handels-Beziehung zwischen Gleichen. Zumal die Gaijin ihre eigenen unerklärten Ziele verfolgen mussten. Was war mit dem Zeug, das sie zu-rückhielten? Was würde geschehen, wenn die menschliche Wirtschaft irgendwann völlig abhängig von den milden Gaben war, die vom Himmel regneten? Angenommen, die Gaijin drehten plötz-147
lich den Hahn zu – oder noch schlimmer, sie kämen auf die Idee, es Felsbrocken regnen zu lassen?
Die allgemeine Situation gewann derweil von Jahr zu Jahr an Dynamik. Immer mehr benachbarte Sterne in einem Umkreis von bis zu dreißig Lichtjahren strahlten plötzlich Funk-und andere Signale ab. Es war offensichtlich, dass entlang des Orion-Cygnus-Spiralarms eine gewaltige Migrationswelle auf die Menschheit zu-schwappte. Vermutlich breiteten diese Kolonisten sich über die Sattelpunkt-Tore aus und stießen auf leere Zielsysteme – oder un-terentwickelte wie das Sonnensystem. Und kaum dass sie angekommen waren, fingen sie auch schon an zu bauen und zu senden.
Die Menschen hatten nicht die geringste Ahnung von dieser ›Landnahme‹ in Sirius, Epsilon Eridani, Procyon, Tau Ceti und Altair. Vielleicht konnten die Menschen von Glück sagen, dass es die Gaijin waren, die sie zuerst gefunden hatten und als Erste in den Lauf der Menschheitsgeschichte eingriffen. Vielleicht aber auch nicht. Wie dem auch sei, angesichts der flüchtigen und schnell sich ändernden Zukunft erschien es – manchen
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