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Das Multiversum 3 Ursprung

Das Multiversum 3 Ursprung

Titel: Das Multiversum 3 Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sie waren ihr auch gleichgültig. Wenn aber eine große Anzahl der waffenfähigen Männer aus der Siedlung abgezogen wurde, bedeutete das für sie eine reelle Chance.
    Sie setzte sich in der Höhle vor Joshua hin, nahm sein schmutziges Gesicht in beide Hände und drehte es zu sich hin. »Lobegott Michael jagen. Morgen. Lobegott Michael jagen. Verstehst du?«
    »Jagen Lo'go'«, sagte er schließlich undeutlich und streckte die verstümmelte Zunge heraus.
    »Ja. Morgen. Warte bis morgen. In Ordnung?«
    Er erwiderte ihren Blick. In seinen Augen lag ein Ausdruck von Intelligenz, den keiner von seinen Leuten aufzuweisen schien. Vielleicht drückten sie auch Wahnsinn aus – doch auf jeden Fall war dieser Blick viel menschlicher als der von allen anderen Wesen, denen sie seit dem Verlust von Sally und Maxie begegnet war. Aber 502
    es lag absolut kein Arg in diesen Augen, auch keine Spur von Berechnung.
    Sie ließ ihn los.
    Er hob einen Stein auf, den er bearbeitet hatte und fuhr fort, ihn geduldig zu bearbeiten. Sie setzte sich in eine Ecke der Höhle, zog die Beine an die Brust, schlang die Arme um die Beine und beobachtete ihn. Das blau-graue Glühen des Himmels, aus dem allmählich das Licht verschwand, wurde von seinen Augen reflektiert. Wie die meisten Ham-Steinmetze schaute er nicht einmal auf den Stein, den er bearbeitete.
    Morgen würde dieser Kind-Mann an einem Kampfeinsatz teil-nehmen müssen.
    Nicht zum ersten Mal fragte Emma sich, was, zum Teufel, sie hier machte. Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Ich bin doch nur eine Buchhalterin, um Gottes willen …
    Während sie auf den Abmarsch der Eiferer-Expedition wartete, hatte sie versucht, eine Kampfgruppe unter den Hams zu rekrutie-ren. Aber sie hatte schnell erkannt, dass es unmöglich war, diese großen, starken und dabei sanften Wesen in Soldaten zu verwandeln – kurzfristig schon gar nicht und wahrscheinlich überhaupt nicht. Schließlich war sie auf den Trichter gekommen, den Angriff in eine Jagd umzumünzen, die einzige Aktivität, bei der die Hams so etwas wie List entwickelten.
    Doch nicht einmal unter dieser Prämisse wusste sie, auf wie viele von ihnen sie zählen konnte. Es war ihr und Joshua gelungen, ein paar jüngere Männer für die Beteiligung am Kampf zu begeistern.
    Als sie sie am nächsten Tag darauf ansprechen wollte, hatten selbst die eifrigsten Befürworter das Projekt wieder vergessen.
    Ein weiteres Problem bestand darin, dass die Hams nur den Nahkampf als Form des Kampfs kannten: Erst tags zuvor hatte sie gesehen, wie drei Männer eine große Hirschantilope mit bloßen Händen niedergerungen hatten. Mit dieser Strategie waren sie bis-503
    her offensichtlich gut gefahren, weil sie sonst längst von der kalten Hand der Selektion ausgelöscht worden wären – auch wenn sie da-für einen Preis in Form schwerer Verletzungen und einer verkürzten Lebenserwartung zahlten. Für den Krieg taugte eine solche Strategie aber nicht, nicht einmal gegen den desorganisierten und geschwächten Haufen der Eiferer, gegen den sie hoffentlich antreten würden.
    Schließlich wurde sie sich bewusst, dass die Hams je nach Lust und Laune kämpfen würden oder auch nicht, und dass sie auf die althergebrachte Art und Weise kämpfen würden, komme was da wolle. Sie würde das eben akzeptieren und die Folgen berücksichti-gen müssen.
    Joshua drehte den Stein in den Händen, fuhr mit den narbigen Fingerspitzen über die Flächen, die er herausgearbeitet hatte und schaute ihn intensiv an. Im Gegensatz zu ihr machte er sich keine Sorgen wegen morgen. Sie spürte bei ihm eine geradezu kontemplative Ruhe, als ob er ein klarer Teich wäre, bis auf dessen Grund sie zu sehen vermochte, und dieser Grund bestand aus Gestein. Es war, als ob Joshua und der Stein eins geworden und zu einer einzigen Wesenheit verschmolzen seien, als ob er sich des Mikrokos-mos im Stein bewusster sei als des eigenen Selbst.
    Wo Hoffnungen, Ängste und Pläne in ihrem Kopf sich jagten, vermochte Emma sich nicht einmal ansatzweise vorzustellen, was für ein Gefühl das wäre. Aber sie wusste, dass sie ihn beneidete.
    Seitdem sie mit den Hams zusammenlebte, hatte sie sich oft ge-wünscht, den Lärm im Kopf einfach abstellen zu können, so wie sie das zu tun schienen.
    Nun hob Joshua den verschlissenen Knochenhammer – das einzige Besitzstück, das ihm etwas bedeutete – und bearbeitete den Stein mit der Präzision eines Chirurgen. Ein Splitter fiel ab. Es war ein Schaber, sah sie, ein fast

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