Das Multiversum 3 Ursprung
langsam auf den Hacken. Sie erinnerte sich daran, wie er sich in diesen letzten Momenten vor der Zerstörung des Flugzeugs verhalten hatte und mit welcher Rücksichtslosigkeit er sie beide ins Verderben gesteuert hatte.
Malenfant, Malenfant, was hast du nur getan?
Ein Schrei drang aus dem Wald.
Emma legte die Fallschirmseide zusammen und rannte den Weg zurück, den sie gekommen war.
Sally setzte sich auf dem Lager aus Laub auf. Mit dem unversehrten Arm hielt sie ihr Kind an die Brust gedrückt. Maxie weinte schon wieder, doch Sallys Gesicht war ausdruckslos, die Augen trocken.
Mit einem Gefühl des Unbehagens ließ Emma die Fallschirmseide fallen. Im strömenden Regen kniete sie sich hin und umarmte sie beide. »Es ist alles in Ordnung.«
Das in der Obhut der beiden Frauen befindliche Kind schien sich zu beruhigen.
Doch dann stieß Sally sie weg. »Wie können Sie das sagen?
Nichts ist in Ordnung.« Ihre Stimme war unnatürlich ruhig.
»Ich glaube nicht, dass sie uns etwas tun wollen … nicht mehr«, sagte Emma vorsichtig.
»Wer?«
»Die Hominiden.«
»Ich habe sie gesehen«, insistierte Sally.
»Wen denn?«
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»Affenmenschen. Sie waren hier. Ich hatte gerade die Augen auf-gemacht, und da war dieses Gesicht über mir. Es war breit und haarig. Wie ein Schimpanse.«
Also nicht wie die Hominiden draußen auf der Ebene, sagte Em-ma sich verwundert. Gab es hier etwa mehr als nur eine Art Men-schenaffen, die sich in diesem seltsamen, traumartigen Urwald tummelten?
»Das Vieh wollte gerade meine Taschen durchwühlen«, sagte Sally. »Ich machte die Augen auf und schaute ihm direkt ins Gesicht.
Dann schrie ich. Es stand auf und rannte weg.«
»Es ist aufgestanden? Schimpansen stehen nicht aufrecht. Jedenfalls ist das nicht ihre natürliche Körperhaltung … Oder doch?«
»Was weiß ich denn über Schimpansen?«
»Schauen Sie, die – Geschöpfe – dort draußen auf der Ebene entsprechen nicht dieser Beschreibung.«
»Sie sind auch Affenmenschen.«
»Aber sie sind nicht vierschrötig und haarig. Wir haben viel durchgemacht«, sagte Emma zögernd. »Da kommt es schon mal vor, dass man Gespenster sieht.«
Sallys Miene drückte Zweifel und Feindseligkeit aus. »Ich weiß doch, was ich gesehen habe.«
Der Junge hatte sich inzwischen beruhigt; er häufte Laub auf und zerstreute es wieder. Emma sah, dass Sally schwer atmete.
Schließlich war Emma mit einem Astronauten verheiratet, schließlich war sie empfänglich für unorthodoxe Konzepte von fremden Welten und exotischen Umweltbedingungen, und nicht zuletzt war sie mit der Vorstellung vertraut, dass es möglicherweise noch andere Welten außer der Erde gab und dass sie kein unveränderlicher, statischer Ort war. Auf diese Frau und ihr Kind traf das allerdings nicht zu; sie vermochten diese surreale Umgebung nicht auf eine rationale Grundlage zu stellen. Für sie musste das Ganze höchst verwirrend anmuten.
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Und dann war da noch der kleine Zwischenfall mit Sallys Mann.
Emma war keine Psychologin. Sie wollte nicht behaupten, dass sie Sallys Reaktion verstand. Aber sie spürte, dass das nur die Ru-he vor dem Sturm war, der unweigerlich losbrechen musste.
Sie stand auf. Darauf kannst du immer noch reagieren, wenn es soweit ist, Emma. Sie entfaltete die Fallschirmseide und spannte sie über die Äste über Sally. Bald platschten die vom Blätterdach abtropfenden Regentropfen aufs Gewebe, und das Licht wurde noch diffuser und düsterer zugleich.
»Mein Name ist Emma«, sagte sie während der Arbeit. »Emma Stoney. Und Sie …«
»Ich heiße Sally Mayer. Mein Mann heißt Greg.« (Heißt?) »Maxie kennen Sie wohl schon. Wir sind aus Boston.«
»Maxie klingt wie ein kleiner John F. Kennedy.«
»Ja …« Sally saß auf dem Boden und rieb sich den verletzten Arm. Emma schätze ihr Alter auf Anfang Dreißig. Sie hatte kurzes, adrett frisiertes, brünettes Haar und war auch nicht so überge-wichtig, wie es im unvorteilhaften Safarianzug den Anschein gehabt hatte. »Wir waren übers Rift Valley geflogen. Greg ist Software-Entwickler. Formale Methodologien. Er hatte eine Präsentation in Johannesburg … Was glauben Sie, wo wir sind?«
»Ich weiß auch nicht mehr als Sie. Es tut mir leid.«
Sally lächelte kalt, als ob Emma etwas Dummes gesagt hätte.
»Das ist doch nicht Ihre Schuld. Was glauben Sie, was wir nun tun sollten?«
Am Leben bleiben. »Uns warm halten. Ärger aus dem Weg gehen.«
»Glauben Sie, ob sie schon wissen, dass wir verschollen
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