Das Multiversum 3 Ursprung
Lebensvorgänge hier eine Rolle spielen mussten. Es hatte sich bald herausgestellt, dass die graugrüne Färbung, mit der die Ränder des Superkontinents und die größeren Flusstäler sowie die flacheren Abschnitte des Weltmeers markiert waren, Chlorophyll war, das Grün von Pflanzen. Es gab noch andere Indizien für eine lebendige Welt: Zum Beispiel den Methangehalt der Luft, der vielleicht von Bakterien in Sümpfen stammte, von brennender Vegetation oder gar von furzenden Mondkälbern. Trotz der Skepsis mancher Wissenschaftler – und obwohl niemand mit Sicherheit zu sagen vermochte, ob es auf dem Roten Mond überhaupt so etwas wie Bakterien, Sümpfe oder Rindviecher gab – schienen die meisten Leute sich darin einig, dass es wirklich Leben auf dem Roten Mond gab, in welcher Form auch immer.
Aber gab es auch Intelligenz?
Niemand hatte bisher sinnvolle Funksignale aufgefangen. Alle Versuche, per Funk, Fernsehen und Radar Kontakt mit dem Roten Mond aufzunehmen, waren gescheitert. Genauso wenig wie ein paar Spinner Erfolg mit ihrer Methode gehabt hatten, in der Saha-ra einen riesigen dreieckigen Graben auszuheben, mit Öl zu füllen und anzuzünden.
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Aber welche Bewandtnis hatte es mit diesen mysteriösen Leuchterscheinungen, die auf der Nachtseite flackerten? Die meisten Beobachter interpretierten sie als Waldbrände, die durch Blitzschlag oder Selbstentzündung entstanden waren. Vielleicht stimmte das, vielleicht auch nicht. Handelte es sich bei den wandernden Wellen, die manchmal auf den großen Meeren zu sehen waren, vielleicht um das Kielwasser von Schiffen oder nur um meteorologische Phänomene? Und was war mit den geometrischen Mustern – Kreise, Rechtecke und gerade Linien –, die manche Beobachter auf Lichtungen an den Küsten und Flusstälern des Riesenkontinents des Roten Monds gesehen haben wollten? Was sollten sie sein, wenn nicht Anzeichen für Intelligenz?
Und wenn diese Muster künstlich waren, wie sahen die Wesen aus, die sie erschaffen hatten?
Malenfant gestand sich durchaus ein, dass eine bemannte Expedition nicht ausreichte, um die Geheimnisse einer Welt zu ergründen, deren Ausdehnung halb so groß war wie die Erdoberfläche.
Es gab aber Mysterien, die durch Beobachtung aus der Ferne nicht zu erklären waren. Das Problem war, dass nicht einmal das stärkste Teleskop einen einzelnen Menschen dort oben auszumachen vermochte.
Malenfant würde Emma nie finden, wenn er hier auf der Erde den Beobachter spielte.
Freilich wollte in diesen Krisenzeiten niemand Malenfants Zeichnungen von Raketentriebwerken und Raumgleitern sehen.
Natürlich stellte sich auch die Frage der Ressourcen und Prioritäten. Malenfant hatte aber das Gefühl, dass die Leute davor zu-rückschreckten, sich mit dem eigentlichen Thema zu beschäftigen: Der Existenz des Roten Monds an sich. Er war einfach zu groß, zu mächtig, unmöglich zu vergegenwärtigen, zu erfassen oder zu ex-trapolieren. Mit dem Rad war es etwas anderes. Ein blauer Kreis am Himmel, ein Zaubertor? Ja, wir vermögen uns vorzustellen, wie 102
wir so etwas hinbekämen, auch wenn wir dazu eigentlich keine Veranlassung haben. Seltsam aussehende Menschen fallen vom Himmel? Ja, wir wissen über die Plastizität des Genoms Bescheid; wir vermögen uns sogar Zeitreisen vorzustellen, das Zurückholen unsrer primitiven Vorfahren. Aber welche Macht hängt einen neuen Mond am Himmel auf?
Er blieb nicht lang im Wasser; dazu war es zu kalt. Er machte ein paar kräftige Schwimmstöße, bis das Wasser so flach wurde, dass er gehen konnte. Er stapfte schlotternd durch die Brandung, trocknete sich mit dem Hemd ab und zog sich die Hose an.
Da stand jemand neben dem angeschwemmten Eisberg-Brocken, nur ein schlanker Schemen in der grauen Morgendämmerung und beobachtete ihn.
Feuer:
Maxie wuselt um Feuer herum. »Verstecken spielen. Verstecken spielen, Feuer. Verstecken spielen.«
Feuer starrt Maxie an. Für ihn ist der Junge ein Schemen aus Bewegung und Lärm, unberechenbar, unbegreiflich und faszinierend.
Maxie hat Blätter auf dem Kopf. Sie fliegen davon, während er rennt. Sally legt sie ihm wieder auf den Kopf. »Nein, Maxie«, sagt sie. »Du musst auf die Sonne aufpassen.«
»Verstecken spielen, Verstecken spielen.« Er steht still. Er hält die Hän-de vor die Augen.
Feuer hält sich die Augen zu. Es ist dunkel. Die Nacht ist dunkel. Er wird schläfrig. Feuer nimmt die Hände herunter. Es ist nicht Nacht. Das Sonnenlicht ist hell. Die Welt ist rot und
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