Das Multiversum 3 Ursprung
in den Händen.
Die Beine bringen ihn voran. Bald hat er Singen vergessen, und der Mund isst die Beeren.
Er findet einen Kastanienbaum. Er hat Blätter von der Größe seiner Hand und klebrige Knospen und Nüsse. Unter dem Kastanienbaum wächst etwas Weißes. Die Hände und Augen erkunden es. Es ist eine Morchel, ein Pilz. Die Hände reißen ein großes Stück heraus und führen es zum Mund.
Emma ist hier. Ihre Hände pflücken Nüsse vom Kastanienbaum.
Die Nüsse wollen Emma wehtun. Er haut ihr auf die Hände, so dass sie aufhören, die Nüsse zu pflücken.
106
Seine Ohren hören ein Grunzen, ein leises Rascheln.
Er hört auf zu denken. Er hört auf, sich zu bewegen. Die Ohren lauschen, die Nase schnüffelt, die Augen flackern suchend.
Die Augen sehen eine dunkle plumpe Gestalt. Sie hat Arme, die sich langsam bewegen. Er sieht Augen, die im grünen Dämmerlicht funkeln. Er sieht Ohren, die lauschen. Er sieht orange-braunes Haar, einen dicken Bauch, einen Kopf mit Hängebacken und einen mächtigen Kiefer.
Es ist ein Nussknacker-Mann.
Der Nussknacker-Mann grunzt. Er führt Pistazien zu seinem gro-
ßen Mund. Feuer sieht seine großen verschlissenen Zähne, die im Streulicht glitzern. Der Nussknacker-Mann knackt die Nüsse mit den starken Zähnen.
Feuer läuft das Wasser im Mund zusammen. Er will die Nüsse haben.
Feuer steht plötzlich auf. Er schüttelt Äste und wirft mit Zweigen. »Nussknacker-Mann. Ho!«
Der Nussknacker-Mann kreischt erschrocken. Seine Arme ziehen ihn auf einen Baum und schwingen ihn davon. Er bricht durchs Laub, und ihm fallen Brocken der Nüsse aus dem Mund.
Feuer bricht durch den Busch. Die Hände stopfen die Nüsse in den dankbaren Mund.
Emma ist hier. Ihre Hände nehmen Nüsse und stecken sie dem glänzenden Ding in den Mund.
Seine Nase riecht noch immer den Kot des Nussknacker-Manns.
Er stellt sich vor, dass viele Nussknacker-Leute im Schatten des Walds sind.
Die Beine bringen ihn vom Ort mit den Pistazien weg, dem Tageslicht entgegen. Emma folgt ihm. Aber er hat Emma vergessen.
Er erinnert sich an die Nüsse und den Pilz und den Nussknacker-Mann.
107
Reid Malenfant:
Er zog sich die Hose an. Als er fertig war, ging er weiter am Strand entlang. Der Atem quoll ihm als Dampfwölkchen aus der Nase.
Der stumme Beobachter erwies sich als eine Frau, fast noch ein Mädchen. Sie war schlank, dunkelhaarig und trug eine Springerkombi. Sie war unverkennbar eine Japanerin.
»Ich kenne Sie«, sagte er.
»Wir sind uns aber noch nicht begegnet.« Ihre Stimme war tief und ruhig. »Aber ich kenne Sie auch, Reid Malenfant.«
»Einfach Malenfant«, sagte er abwesend und versuchte sie einzuordnen. Dann schnippte er mit den Fingern. »Sie waren in der Raumstation, als …«
»… als der Mond sich änderte. Ja. Mein Name ist Nemoto.« Sie verneigte sich. »Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Er erwiderte die Verbeugung. Er fühlte sich verlegen. Es hätte ihm nicht das Geringste ausgemacht, wenn sie seinen faltigen Arsch gesehen hätte. Doch seltsamerweise wünschte er sich, dass er die Schuhe an hätte.
Er ließ in beiden Richtungen den Blick am Strand entlang schweifen. Er sah keine Spur von einem Transportmittel, nicht einmal ein Fahrrad. »Wie sind Sie überhaupt hierher gekommen?«
»Ich bin zu Fuß gegangen. Das Auto habe ich am Strandhaus geparkt.«
»Ich auch.«
»Ja.«
»Möchten Sie mich zurück begleiten?«
»Ja.«
Nebeneinander gingen sie im Morgengrauen in nördlicher Richtung am Strand entlang.
108
Malenfant schaute Nemoto von der Seite an. Sie hatte ein breites blasses Gesicht mit schwarzen Augen; die Kurzhaar-Frisur betonte das Profil des Schädels. Sie war höchstens halb so alt wie Malenfant, vielleicht fünfundzwanzig.
»Der Rote Mond ist sehr hell«, sagte sie.
»Ja.«
»Das ist ein großes Naturschauspiel. Aber es ist schlecht für die Astronomen.«
»Sie waren eine Astronomin …«
»Ich bin eine Astronomin.«
»Ach so. Tschuldigung.«
Nemoto war japanische Staatsbürgerin, die bei der NASA zur Astronautin ausgebildet worden war. Ihr Fachgebiet war weltraum-gestützte Astronomie. Sie war das Wunderkind gewesen, das mit unglaublichen vierundzwanzig Jahren ins All geflogen war. Er hatte Nemoto als fröhlich, spontan und sogar quirlig in Erinnerung.
Nun war sie aber nicht mehr fröhlich und spontan. Es schien, als ob ihr Gemüt sich verfinstert hätte.
»Ich habe nach Ihnen gesucht«, sagte sie. »Ich hatte Sie auf Ihrer Tour durch die
Weitere Kostenlose Bücher