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Das Multiversum 3 Ursprung

Das Multiversum 3 Ursprung

Titel: Das Multiversum 3 Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Gegensatz zu den Läufern waren sie richtige Plaudertaschen. Sie schienen einen großen Wortschatz zu haben, den größten Teil in Englisch, und sie führten lange Palaver am Feuer.
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    Aber es war nur Klatsch und Tratsch. Nie unterhielten sie sich etwa über die Herstellung von besseren Werkzeugen. Sie sprachen nur übereinander.
    Emma glaubte, dass sie sich an die Läufer gewöhnt hätte, diese seltsame Mischung aus Mensch und Tier. Doch selbst diese Hams, die fast so menschlich waren wie sie, hatten noch Barrieren im Kopf, durch Wände unterteilte Räume. Als Emma sah, wie sie sich darüber unterhielten, wer es gerade mit wem trieb, und wie sie zugleich Werkzeuge bearbeiteten, als ob zwei verschiedene Seelen in ihrer Brust wohnten, vermochte sie sich kaum vorzustellen, wie es war, ein Ham zu sein.
    Trotzdem beneidete sie sie manchmal.
    Für sie war ein schöner Sonnenuntergang eine tröstliche Erinnerung an zu Hause, ein Symbol der Erneuerung, der Hoffnung auf bessere Zeiten. Die Hams betrachteten solche Naturschauspiele genauso gebannt wie sie. Aber Emma glaubte, dass für sie ein Sonnenuntergang nur ein Sonnenuntergang war, wie der Klang eines Instruments ohne Obertöne, ein schlichter, reiner Ton – aber ein Ton von einer Schönheit und Reinheit, die sie unmittelbar und unbefangen erlebten, als ob es der erste Sonnenuntergang wäre, den sie je gesehen hätten.
    Die Tage verliefen in öder Monotonie.
    Nach der Ankunft hier hatte sie noch von körperlichem Luxus geträumt: Fließend warmes Wasser, frische, schön zubereitete Le-bensmittel, ein weiches Bett. Im Zeitablauf beschlich sie das Ge-fühl, dass ihr zivilisatorisches Niveau zunehmend sank. Ihre Ansprüche wurden immer bescheidener: Es machte ihr nichts mehr aus, im Freien auf einem Lager aus Blättern zu schlafen, und dass die Haut mit Schmutz überzogen war, wurde ihr kaum noch bewusst.
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    Aber sie sehnte sich nach Sicherheit. Sie wollte ohne die bange Frage einschlafen können, ob sie den nächsten Tag noch erlebte, wollte ohne die Grausamkeit und den Tod leben, der den Wald beherrschte.
    Und sie sehnte sich nach dem Anblick eines menschlichen Gesichts. Es musste gar nicht mal Malenfant sein. Einfach nur ein Mensch.
    Eines Tages ging ihr Wunsch in Erfüllung.
    Es waren Menschen gewesen, die sich in Verfolgung irgendeines Ziels einen Weg durch den Wald gebahnt hatten. Sie trugen zwar auch Kleidung aus Tierhäuten, aber sie waren sorgfältig zusam-mengenäht – kein Vergleich mit den Fetzen, die die Hams sich um den Leib hängten –, und sie sprachen Englisch mit einem seltsamen Akzent.
    Emma war schier aus dem Häuschen. Sie starrte mit einer Sehnsucht auf ihre schmalen, leicht verkniffenen Gesichter, wie die Hams sich gegenseitig anschauten. Waren sie die Sprachlehrer der Hams und der Läufer? Sie verspürte den Drang, ihnen zuzurufen und auf sie zuzugehen.
    Aber dann sah sie, dass die Hams sich vor diesen Eiferern fürchteten, wie sie sie nannten. Eine Bezeichnung, die Emma zur Vorsicht mahnte. Also verschwand sie mit den Hams wieder im Wald.
    Manchmal tobte sie innerlich. Oder sie führte imaginäre Zwiege-spräche mit Malenfant – schließlich hatte er das Flugzeug geflogen, mit dem sie abgestürzt waren, und folglich war er der Einzige, dem sie Vorwürfe machen konnte.
    Als die Hams sahen, wie sie durch den Wald streifte, gegen Äste und Lianen schlug oder, was noch schlimmer war, gemurmelte Selbstgespräche führte, wurden sie unruhig.
    Also zwang sie sich, auf solche Innenansichten zu verzichten.
    Sie beobachtete, wie die Hams ihren diversen Verrichtungen nachgingen. Mit den in Felle gehüllten grobschlächtigen Leibern 253
    sahen sie aus wie schlampig eingewickelte Pakete. Einen Tag nach dem andern: Das war der Lebensrhythmus der Hams, und sie fragten nicht danach, was morgen war. Sie schienen zu glauben, dass morgen wie heute war, und wie gestern, und wie der Tag davor.
    Sie gab die Hoffnung nicht auf, dass sie eines Tages wieder von hier verschwinden würde – ohne diese Hoffnung wäre sie wohl verrückt geworden –, aber sie versuchte, sich bei der Konzentration auf das Hier und Jetzt an den Hams ein Beispiel zu nehmen. Einen Tag nach dem andern. Es war beinahe tröstlich. Sie versuchte sich mit der Aussicht abzufinden, vielleicht den Rest ihres Lebens am Rand einer Gruppe wie dieser zu verbringen: Körperlich sicher, aber in einer Außenseiterrolle, als Vertreter einer anderen und un-interessanten Spezies.
    Die Zukunft dehnte sich

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