Das muss Liebe sein
ächzten. Die Holzfußböden waren kalt, und im Bad tröpfelte der Wasserhahn. Die Toilettenspülung lief unablässig, es sei denn, sie manipulierte den Abzug, und die Fenster in ihrem Schlafzimmer ließen sich nicht öffnen, weil sie mit Lackfarbe zugeklebt waren. Trotzdem liebte sie ihr Heim, sowohl trotz als auch wegen seiner Mängel.
Gabrielle kleidete sich auf dem Weg in ihr Atelier im Gehen aus. Sie eilte durch das Esszimmer und die Küche, vorbei an den kleinen Schälchen und Fläschchen mit ätherischem Sonnenschutz und anderen Ölen, die sie bereitet hatte. Als sie schließlich vor der Tür zum Atelier angekommen war, trug sie nur ihren weißen Bikinislip.
Ein farbverkleckstes Hemd hing über einer Staffelei mitten im Zimmer. Als sie es bis auf halbe Brusthöhe zugeknöpft hatte, fing sie an, ihre Gerätschaften zusammenzusuchen.
Sie kannte nur eine Möglichkeit, den dämonischen Zorn zu bändigen, der sie umgab und ihre Aura verfinsterte. Sie war längst jenseits von Meditation und Aromatherapie, und es gab nur einen Weg, ihrem Zorn und ihrer inneren Qual Ausdruck zu verleihen. Nur einen Weg, sich davon zu befreien.
Sie machte sich nicht die Mühe, eine Leinwand vorzubereiten oder zuerst eine Skizze anzufertigen. Sie machte sich auch nicht die Mühe, die dicke Ölfarbe zu verdünnen oder die dunklen Farben aufzuhellen. Sie hatte nicht einmal eine genau Vorstellung dessen, was sie malen wollte. Sie malte einfach. Sie nahm sich nicht die Zeit, jeden Pinselstrich sorgfältig zu kalkulieren, und es kümmerte sie auch nicht, dass sie Verheerungen auf ihrem Tropflappen anrichtete.
Sie malte einfach.
Mehrere Stunden später wunderte sie sich keineswegs, dass der Dämon auf ihrem Gemälde erstaunliche Ähnlichkeit mit Joe Shanahan aufwies und dass das arme kleine Lämmchen, mit silbernen Handschellen gefesselt, statt Wolle seidiges rotes Haar auf dem Kopf trug.
Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk mit kritischem Blick. Gabrielle wusste, dass sie keine große Künstlerin war. Sie malte nur zum Vergnügen, gestand sich aber durchaus ein, dass dieses Werk nicht zu ihren besten zählte. Die Ölfarben waren zu dick aufgetragen, und der Heiligenschein um den Kopf des Lämmchens sah eher wie ein Marshmallow aus. Die Qualität reichte nicht annähernd an die ihrer anderen Porträts und Gemälde heran, die sie an den weißen Wänden des Ateliers abgestellt hatte. Und wie bei allen anderen Bildern hatte sie auch diesmal das Malen der Hände und Füße auf ein anderes Mal verschoben.
Ihr war schon etwas leichter ums Herz, und sie lächelte. »Mir gefällt's«, verkündete sie dem leeren Raum, tauchte den Pinsel in die schwarze Farbe und stattete den Dämon mit einem Schauder erregenden Paar Flügel aus.
5. KAPITEL
Gabrielles Nackenhaare sträubten sich, als sie zusah, wie Detective Shanahan den Sender in den Telefonhörer einbaute. Dann griff er nach einem Schraubenzieher und brachte alles wieder in die altgewohnte Ordnung.
»War's das?«, flüsterte sie.
Ein Werkzeugkasten lag geöffnet vor seinen Füßen, und er ließ den Schraubenzieher hineinfallen. »Warum flüstern Sie?«
Sie räusperte sich und fragte: »Sind Sie fertig, Detective?«
Er warf ihr über die Schulter hinweg einen Blick zu und legte den Hörer wieder auf die Gabel. »Du solltest mich duzen und Joe zu mir sagen. Wir sind ein Liebespaar. Hast du das vergessen?«
Die gesamte letzte Nacht hatte sie mit dem Versuch zugebracht, es zu vergessen. »Befreundet.«
»Ist das Gleiche.«
Gabrielle mobilisierte all ihre Kräfte, um nicht die Augen zu verdrehen. Es war ihr nicht gelungen. »Also, erzähl mal«, sie hielt inne und stieß den Atem aus, »Joe. Bist du verheiratet?«
Er drehte sich zu ihr um und verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß. »Nein.«
»Das Objekt der Leidenschaft einer glücklichen Frau?«
Er verschränkte die Arme vor seinem grauen T-Shirt. »Im Moment nicht.«
»Erst vor kurzem Schluss gemacht?«
»Ja.«
»Wie lange wart ihr zusammen?«
Er senkte den Blick auf ihre türkisfarbene Nylonbluse mit den großen grüngelben Schmetterlingen auf den Brüsten. »Warum interessiert dich das?«
»Ich versuche lediglich, ein ganz unverfängliches Gespräch zu führen.«
Er sah ihr wieder ins Gesicht. »Zwei Monate.«
»Tatsächlich? Wieso hat sie so lange gebraucht, um zur Besinnung zu kommen?«
Seine Augen wurden schmal, und er neigte sich ihr zu. »Bist du verrückt? Ist das dein Problem? Du sitzt in
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