Das muss Liebe sein
Stirnrunzeln zum Opfer.
»Was ist in der Truhe?«, fragte er.
»Weihnachtsbeleuchtung.«
»Wann haben Sie zum letzten Mal nachgesehen?«
»Weihnachten.«
Eine Bewegung in Gabrielles Rücken zog Joes Aufmerksamkeit auf den Ladentisch. Er sah Kevin zur Kasse gehen und sie öffnen. »Ich muss heute Morgen ein paar geschäftliche Dinge erledigen, Gabrielle«, sagte Kevin und füllte Geld in die Kassenschublade. »Gegen drei werde ich wohl zurück sein.«
Gabrielle fuhr herum und sah ihren Geschäftspartner an. Spannung lag in der Luft, was aber außer ihr niemand zu bemerken schien. Sie schnürte ihr die Kehle zu, doch zum ersten Mal seit ihrer Festnahme hob eine gewisse Erleichterung ihre Laune. Ein Ende dieses Wahnsinns war absehbar. Je eher Kevin ging, desto eher konnte der Detective seine Durchsuchung ausführen und desto eher würde er nichts finden. Desto eher würde er aus ihrem Laden und aus ihrem Leben verschwinden. »Oh, in Ordnung. Lass dir nur Zeit. Falls du viel zu tun hast, brauchst du auch gar nicht mehr zurückzukommen.«
Kevins Blick wanderte von Gabrielles Gesicht zu dem Mann, der direkt hinter ihr stand. »Doch, ich komme zurück.«
Kaum war Kevin fort, warf Gabrielle einen Blick über die Schulter. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Detective«, sagte sie, dann ging sie zum Ladentisch und fing an, den blauen Teller in Seidenpapier zu wickeln. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Joe ein kleines schwarzes Notizbuch aus der Gesäßtasche seiner Levi's zog. Er klappte es auf, blätterte eine Seite um, zögerte kurz und kritzelte dann etwas hinein.
»Wann kommt Mara Paglino zur Arbeit?«, fragte er, ohne den Blick zu heben.
»Um halb zwei.«
Er nahm den Stempel auf der Unterseite einer Wedgwood-Butterdose in Augenschein und schlug das Notizbuch wieder zu. »Falls Kevin früher zurückkommt, halten Sie ihn hier fest«, sagte er, trat ins Büro und schloss die Tür hinter sich.
»Wie?«, fragte sie in den leeren Laden. Falls Kevin früher zurückkommen sollte, wusste sie nicht, wie sie ihn – sofern sie ihn nicht gewaltsam festhalten wollte – daran hindern sollte, den Detective bei der Durchsuchung seines Schreibtisches zu überraschen. Aber im Grunde wäre es auch egal, wenn Kevin früher zurückkäme und Joe auf frischer Tat ertappte. Kevin würde es sowieso merken. Er war so übertrieben ordentlich, dass er es immer gleich sah, wenn jemand seine Sachen angerührt hatte.
Im Verlauf der folgenden zwei Stunden nahm Gabrielles Nervenanspannung mehr und mehr zu. Jedes Ticken der Uhr brachte sie dem völligen Zusammenbruch näher. Sie versuchte, sich in der alltäglichen Routine zu verlieren, doch es gelang ihr nicht. Sie war sich der Anwesenheit des Detectives zu deutlich bewusst, der hinter der geschlossenen Tür ihres Büros nach belastendem Material suchte.
Mehrere Male ging sie zur Bürotür, in der Absicht, den Kopf ins Zimmer zu stecken und nachzusehen, was genau der Detective dort trieb, aber jedes Mal verließ sie wieder der Mut. Jedes noch so kleine Geräusch ließ sie zusammenzucken, ein Kloß bildete sich in ihrem Hals und in ihrem Magen und ließ nicht zu, dass sie zu Mittag die mitgebrachte Broccoli-Suppe aß. Als Joe endlich um ein Uhr wieder aus dem Büro auftauchte, war Gabrielle so angespannt, dass sie am liebsten laut geschrien hätte. Stattdessen atmete sie tief durch und sang im Stillen das beruhigende Sieben-Silben-Mantra vor sich hin, das sie vor achtzehn Jahren komponiert hatte, um den Tod ihres Vaters bewältigen zu können.
»Okay.« Joe störte sie in ihrem Versuch, ihre ruhige Mitte zu finden. »Wir sehen uns morgen früh.« Offenbar hatte er nichts Belastendes gefunden. Doch das überraschte Gabrielle nicht, schließlich gab es nichts zu finden. Sie folgte ihm ins Hinterzimmer. »Sie wollen gehen?«
Er sah ihr in die Augen und zog einen Mundwinkel hoch. »Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass Sie mich vermissen würden?«
»Natürlich nicht, aber was ist mit den Regalen? Was soll ich Kevin erzählen?«
»Sagen Sie ihm, dass ich morgen damit anfange.« Er zog die Sonnenbrille aus der Brusttasche seines T-Shirts. »Ich muss Ihr Telefon anzapfen. Kommen Sie also morgen ein bisschen früher als gewöhnlich. Es dauert nur ein paar Minuten.«
»Sie wollen mein Telefon anzapfen? Brauchen Sie dazu nicht einen Gerichtsbeschluss oder so was?«
»Nein. Ich benötige lediglich Ihre Erlaubnis, und die werden Sie mir geben.«
»O nein.«
Er zog die
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