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»Das musst du erzählen«: Erinnerungen an Willy Brandt (German Edition)

»Das musst du erzählen«: Erinnerungen an Willy Brandt (German Edition)

Titel: »Das musst du erzählen«: Erinnerungen an Willy Brandt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Bahr
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zwischen ihnen liegenden Länder hinweg verhandeln wollten. Als die Fragen nicht enden wollten, sagte ich ihm, ich sei nicht gekommen, um zu konsultieren, sondern um zu informieren. Wir würden unsere Pläne umsetzen. Das war eine neue Sprache.
    Ohne das Vertrauen, das sich Brandt während der Berlin-Krise erworben hatte, und ohne die auch den Sowjets gewärtige Gewissheit, dass die USA stark genug blieben, uns zu überwachen, hätte Kissinger mich nicht darüber informiert, dass er einen Back channel zum Kreml unterhielt, an den Außenministern vorbei, und dass er bereit sei, einen solchen direkten Kanal auch zum Palais Schaumburg einzurichten. Ich nahm das Angebot sofort an. Etwas Besseres konnte gar nicht passieren. Wir würden uns gegenseitig kontrollieren und dadurch Misstrauen abbauen. Ich erzählte ihm von Brandts Brief an Kossygin, der noch ohne Antwort sei. Er verabschiedete mich mit den Worten: »Ihr Erfolg wird unser Erfolg sein.« Brandt reagierte auf meinen begeisterten Bericht erleichtert und mit dem nie gehörten Lob: »Sehr gut.« Ich bin Kissinger bis heute dankbar. Ohne ihn hätte es unsere Entspannungspolitik so nicht gegeben.
    Als neuer Bundesbevollmächtigter flog ich nach Berlin, wo alle Ministerien eine Dienststelle hatten, lernte, dass es in Berlin mehr Bundesbedienstete als in Bonn gab, und besichtigte meine »Residenz« in der Pücklerstraße, in der nach Adenauer nun auch Brandt übernachten konnte. Außerdem erwies sich das Haus als besonders geeignet für vertrauliche Zusammenkünfte aller Art, besonders mit dem amerikanischen Botschafter und seinem sowjetischen Kollegen, der für Berlin eigentlich keine Zuständigkeit hatte. Nach der Vereinigung wurde die Villa Wohnsitz des Bundespräsidenten.
    In Bonn empfing ich den israelischen Botschafter Asher Ben-Nathan, der wie ein Bruder von Curd Jürgens aussah, was Figur, Augen- und Haarfarbe anging. Er wollte uns zum Wahlsieg beglückwünschen und äußerte, nun würde alles viel leichter werden. Dem musste ich widersprechen: Es würde schwieriger werden, denn hier säßen jetzt Menschen, die aus ihrer Vergangenheit nicht erpressbar wären, sondern sich befreit und nicht besiegt fühlten. Auf Basis dieser klaren Worte erwuchs eine gute Zusammenarbeit.
    Inzwischen hatte der neue Außenminister Scheel das noch an die Große Koalition gerichtete Angebot der Sowjetunion angenommen, über einen Gewaltverzicht zu sprechen. Von Paul Frank, dem späteren Staatssekretär im Auswärtigen Amt, hatte ich gelernt, vor wichtigen Missionen empfehle es sich, die Richtlinien dafür selbst zu schreiben, um unerfüllbare Anforderungen zu vermeiden. Für mich erübrigte sich dieser gute Rat; Scheel hielt Richtlinien für unnötig, weil ich sowieso alles im Kopf hätte. Brandt und Scheel gaben mir also den Auftrag, ohne Instruktionen beim sowjetischen Außenminister Gromyko zu sondieren, ob die Konzeption der neuen Bundesregierung realisierbar wäre.
    Meine Moskau-Reise hatte eine Ouvertüre. Nur ungern hatte ich auf Drängen von Regierungssprecher Conrad Ahlers einem sowjetischen Journalisten einen Termin gegeben, den letzten nach dem Aufräumen des Schreibtischs am Heiligen Abend. Ich lernte Waleri Lednew kennen, korpulent und glatzköpfig, der mich nach einigen läppischen Fragen elektrisierte, weil er sich auf Brandts Brief an Kossygin bezog. Seine Botschaft: Die sowjetische Seite sei bereit zu einem vertraulichen Meinungsaustausch. Nur fünf Mitglieder des Politbüros wüssten von seinem Auftrag. Die sowjetische Botschaft in Bonn bleibe ohne Kenntnis. Ich bedankte mich und informierte ihn, dass ich Ende Januar nach Moskau käme. Er kündigte an, dort den vertraulichen Kontakt aufzunehmen.
    Das Schmücken des Weihnachtsbaumes musste warten. Ich rief Brandt an. Er dankte (was selten war) für dieses schöne Weihnachtsgeschenk und informierte Kissinger über unseren Kanal. Jetzt brauchten wir uns keine Gedanken mehr über eine Antwort Heinemanns an Ulbricht zu machen. Der hatte, um Brandts Regierungserklärung zu unterlaufen, dem Bundespräsidenten einen indiskutablen Vertragsvorschlag übermittelt, der nun unbeantwortet blieb. Ulbricht konnte unseren Kontakt mit Moskau nicht mehr verhindern.
    Am 14. Januar 1970, zwei Wochen vor meinem Aufbruch nach Moskau, erstattete Brandt seinen ersten »Bericht zur Lage der Nation«. Darin bezeichnete er den Gewaltverzicht, da »das deutsche Volk in seiner Gesamtheit in absehbarer Zeit nicht auf einen Friedensvertrag hoffen

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