Das Muster der Liebe (German Edition)
mehr zu sich zu nehmen – aus der Angst heraus, sie könnten sich negativ auf die Empfängnisbereitschaft ihres Körpers auswirken. Ihre Einkaufsliste las sich mittlerweile wie das Angebot eines Naturkostladens. Einige Experten glaubten, die Ernährung sei wichtig. Andere dachten dagegen, sie habe keinen entscheidenden Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Carol wollte überhaupt keine Risiken eingehen. Sie würde
alles
ausprobieren, um endlich schwanger zu werden – und zu bleiben.
Es fühlte sich an, als bewege sich ihr gesamtes Leben in einer Art Warteschleife. Sie hatte eine vielversprechende Karriere an den Nagel gehängt und war zu den besten Ärzten gegangen. Sie aß nur noch die “richtigen” Lebensmittel, hörte sich Kassetten an, die sie aufbauen und motivieren sollten, und wiederholte brav die Mantras, die sie gelernt hatte. Carol wollte daran glauben, dass ihr Geist ihren Körper kontrollieren konnte und dass die bloße Kraft ihrer Entschlossenheit ihr am Ende das bringen würde, was sie sich so sehr wünschte.
Sie setzte sich wieder hin und wartete darauf, dass das Wasser kochte. Eine kurze handgeschriebene Notiz von Christine weckte ihre Aufmerksamkeit. Carol hatte sie bisher auf der Geburtsanzeige übersehen. In Christines hübscher Handschrift stand dort:
Ich habe so lange nichts mehr von dir gehört!
Es gab einen guten Grund dafür. Ihre Freundschaft zu Christine war nicht die einzige, die langsam aber sicher eingeschlafen war. Sie hatte viele ihrer guten Freunde vernachlässigt. Das lag vor allem daran, dass der Kampf, endlich schwanger zu werden, so viel Kraft forderte. Und die Freunde, die schon Kinder hatten, taten sich eher mit Pärchen zusammen, die ebenfalls Eltern waren.
Carol und Doug hatten immer weniger gemeinsam mit diesen Freunden, deren Leben sich nur noch um Kinder, Spielplätze und Geburtstagsfeiern zu drehen schien. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wurden oft langatmige Diskussionen geführt, die die beiden ausschlossen. In diesen Gesprächen ging es um Schulen oder Tagesmütter, um Wutanfälle der Kinder oder die Probleme, die auftraten, wenn die lieben Kleinen zahnten.
Und dann gab es noch Leute, die ihre Probleme, ihre Sehnsucht nach einem Kind nicht ernst nahmen. Eine Frau aus dem Büro hatte lachend vorgeschlagen, Carol könne gern eines von ihren vier Kindern großziehen. Andere wiederum wollten sie aufmuntern und erzählten, es würde nicht mehr lange dauern. Die moderne Medizin sei so fortgeschritten, dass Carol bestimmt schon im nächsten Jahr schwanger wäre. Doch sie war es nicht – und eine Angst, die lange in ihrem Innersten geschwelt hatte, wurde immer größer. Es war möglich, dass sie und Doug niemals ein Kind bekommen würden. Zwar konnte sie es kaum ertragen, aber sie musste der Wahrheit ins Gesicht sehen. Ewig konnte sie so nicht weitermachen.
Der Wasserkessel begann zu pfeifen. Sie erhob sich langsam und goss das kochende Wasser in ihre Teetasse. Man durfte diese negativen Gedanken einfach nicht zulassen. Das machte alles nur noch schlimmer. Sie musste weiter an ihren Traum glauben! Eine Geburtsanzeige durfte sie nicht so aus der Bahn werfen. Gott hatte ihr ein Zeichen gegeben. Sie musste glauben, musste alle düsteren Gedanken beiseiteschieben. Sie hatte Hoffnung …
Die Tür wurde geöffnet, und Carol fuhr herum. So spät war es schon? “Doug! Hast du schon Feierabend?” Sie bemühte sich um einen lockeren Tonfall, spürte jedoch, dass ihr das gründlich misslungen war.
“Alles in Ordnung bei dir?”, fragte er und musterte sie.
“Natürlich.”
Er sah nicht eben überzeugt aus.
“Hattest du einen schönen Tag?”, fragte sie und widmete sich wieder dem Tee.
“Sicher.”
Doug entdeckte die Post. Er ging zum Tisch und sah Christines und Bills Karte. Carol beobachtete ihn, als er die Zeilen las. Sie wollte vor Schmerz schreien, als sie die Sehnsucht in seinem Blick bemerkte. Nach einer Weile legte er die Karte zur Seite, als wäre sie nicht so wichtig. Sie wusste, dass es nicht so war.
“Es ist ein kleiner Junge”, sagte sie und bemühte sich, möglichst beiläufig zu klingen.
“Ja, das habe ich gesehen.”
Das hätte ich sein müssen, wollte sie schreien.
Sie
hätten diejenigen sein sollen, die Karten zur Geburt verschickten. Sie waren gute Menschen. Sie führten eine vorbildliche Ehe. Und sie wären sicher wundervolle Eltern …
Die Unfruchtbarkeit bedeutete eine stetige Belastung für ihre Beziehung. Doug hatte in der
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