Das Muster der Liebe (German Edition)
begeisterter sie wurde, desto breiter wurde ihr Südstaatenakzent.
“Oh ja.” Paul antwortete diesmal. “Dad und ich sind Husky-Fans.”
“Das ist doch wundervoll! Wir könnten ein Parkplatzpicknick veranstalten. Mama sagt, ein Parkplatzpicknick ist wie Kirche – alle Frauen werfen sich in Schale und bereiten Unmengen zu essen vor. Anschließend verbringen wir Stunden damit, um für ein Wunder zu beten.”
Paul und Reese lachten, aber Jacqueline wusste nicht, was daran lustig sein sollte. “Warum betet ihr?”
Ihre Schwiegertochter grinste. “Na, damit unser Team auch mal gewinnt.”
Jacqueline zwang sich zu einem kleinen Lächeln.
Schließlich war das Grillen doch nicht so schlimm, wie Jacqueline befürchtet hatte. Sie hatte Albträume gehabt, in denen der Tisch wie von einem Tierpräparator dekoriert war. Doch tatsächlich hatte Tammie Lee ein hübsches Blumenbouquet aufgestellt.
Alles in allem war es trotz Jacquelines düsterer Vorhersagen ein angenehmer Nachmittag. Das Essen bestand aus einer leckeren Guacamole, blauen Maischips, gegrilltem Rindfleisch und einem Kartoffelsalat, der ausgesprochen gut schmeckte. Das Jalapeño-Maisbrot war ein bisschen zu scharf, aber Jacqueline hatte sich sowieso nur ein kleines Stück genommen. Reese konnte nicht aufhören, das Essen zu loben, und Tammie Lee errötete angesichts seiner endlosen Komplimente. Da sie nicht mehr so viel arbeitete, hatte ihre Schwiegertochter nun genügend Zeit. Sie widmete sich ausgiebig dem Kochen und dem Versuch, ihren Mann damit glücklich zu machen. Als Jacqueline jung verheiratet war, hatte sie es genauso gemacht. Heutzutage ging ihr Interesse am Kochen jedoch gegen null.
Auf ihrem Weg nach Hause schwiegen Reese und Jacqueline. Ein Großteil des Tischgesprächs hatte sich um Familienbräuche gedreht. Offensichtlich pflegte Tammie Lees Familie jede Menge Traditionen. Sie hatte sämtliche Sitten in epischer Breite erklärt, wobei sie immer wieder Tante Thelma und Tante Frieda sowie Mama und Daddy erwähnte. Jacqueline fragte sich langsam, ob das Mädchen vielleicht Heimweh hatte.
Wenn es so war, konnte sie doch einfach ihre Sachen packen und ihre Mama besuchen. Vielleicht würde Paul, wenn seine Frau erst mal außer Haus war, endlich wieder zur Vernunft kommen.
“Wir hatten nicht viele Bräuche, die wir an Paul weitergegeben haben, oder?”, sagte Reese, als sie auf den Freeway fuhren.
“Natürlich hatten wir das”, erwiderte sie, obwohl es ihr beim Essen schwergefallen war, sich an ihre Rituale zu erinnern. “An Weihnachten haben wir Lebkuchenhäuser mit ihm gebastelt, erinnerst du dich?”
“Ja, aber das ist Jahre her. Damals war er noch ein Kind.”
“Und im Countryclub fand jedes Jahr zu Ostern eine Eiersuche statt.”
“Ja, und Paul und ich haben dir am Muttertag immer das Frühstück ans Bett gebracht.”
“Das stimmt”, sagte sie und fühlte sich mit einem Mal seltsam erleichtert. Sie hatte als Mutter also nicht total versagt. “Nur weil wir nicht weiße Anzüge tragen und Panamahüte aufsetzen, um uns das Kentucky-Derby anzuschauen, heißt das nicht, dass wir mit unserem Sohn keine gemeinsamen Rituale gepflegt haben.”
Er warf ihr einen Blick zu. “Kannst du dich daran erinnern, dass Paul dir einmal Eier im Glas machen wollte?”
“Ach, du meine Güte. Martha hat Monate gebraucht, um das Schlachtfeld in der Küche wieder sauber zu bekommen.”
“Aber du hast alles aufgegessen. Du hast perfekt mitgespielt”, sagte er. “Ich weiß nicht, ob ich dich je mehr geliebt habe als an jenem Tag.”
Jacquelines Lächeln erstarb, als sie aus dem Fenster starrte. Sie hatten einander geliebt, und irgendwie taten sie es noch immer. Dieses ganze Gerede über Traditionen und Familie wirbelte den Staub längst vergangener Jahre auf und wehte eine Menge glücklicher Erinnerungen in ihre Richtung. Das alles war ein bisschen verunsichernd.
“Ich bin glücklich, dass Tammie Lee und Paul ihrer Tochter Traditionen vermitteln wollen”, sagte Reese, als sie schon fast bei ihrem Haus angekommen waren. “Und du?”
“Ja, ich finde es auch gut”, antwortete sie leise. Sie wünschte sich das für ihr Enkelkind. Vor ihrem geistigen Auge sah sie das kleine Mädchen, dunkelhaarig wie Paul. Es streckte seine kurzen Ärmchen nach ihr aus. Tammie Lee war bestimmt nicht die erste Wahl einer Ehefrau für ihren Sohn, aber Paul wirkte glücklich. Und schon bald machte er sie zum ersten Mal zur Großmutter. Ja, es gab auch schöne
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