Das Muster der Liebe (German Edition)
ganzen Zeit ebenso viele Demütigungen hinnehmen müssen wie sie selbst. Die Samenspende im Badezimmer neben dem Wartezimmer in Dr. Fords Praxis, die postkoitalen Untersuchungen – all das war furchtbar für ihn.
Viele Leute versicherten ihr, dass sie eines Tages über all das lachen würden. Carol glaubte nicht, dass das möglich sein würde.
“Ich bin mit der zweiten Babydecke fast fertig. Morgen ist die nächste Unterrichtsstunde.”
Ihr Ehemann nickte, griff sich die Zeitung und ging zu seinem Lieblingssessel im Wohnzimmer.
Sie wollte ihn anschreien. Er solle endlich etwas sagen! Doch stattdessen verkniff sie sich die Worte und begann, das Abendessen vorzubereiten – obwohl sie überhaupt keinen Appetit verspürte.
16. KAPITEL
A lix Townsend
Während sie an einem Fensterplatz bei
Starbucks
saß, versuchte Alix vorsichtig, die Maschen von einer Stricknadel auf die andere zu befördern und die Reihe zu Ende zu stricken. Niemand sonst in dem Kurs schien ein Problem mit diesem Projekt zu haben. Carol arbeitete bereits an ihrer zweiten Babydecke. Jacqueline hatte zu Beginn ein paar Schwierigkeiten gehabt, aber nicht annähernd so viele wie Alix. Egal wie sehr sie sich auch konzentrierte, sie begann mit einhunderteinundsiebzig Maschen und am Ende der Reihe zählte sie einhundertachtzig oder mehr. Beziehungsweise weniger, je nachdem, was sie falsch gemacht hatte.
Lydia versicherte ihr ein ums andere Mal, dass das ein durchaus gängiges Problem war. Sie erklärte mit einer Engelsgeduld, dass Alix die Maschen nicht richtig zu Ende strickte. Dann zeigte sie ihr noch einmal, wie es ging. Und Alix machte dieselben dummen Fehler wieder. Es war ihr egal, denn sie würde nicht eher ruhen, bis sie richtig stricken konnte. Dreißig Dollar hatte sie bereits in dieses Projekt investiert.
Als sie mit der Reihe fertig war, machte Alix eine kleine Pause. Sie nippte an ihrem Cappuccino und zählte die Maschen. Verdammt! Einhundertdreiundachtzig! Es war schon wieder passiert – sie hatte Maschen eingebaut, die da nicht hingehörten. “Verdammt, verdammt, verdammt”, fluchte sie unterdrückt. Offenbar färbte es ab, mit Jacqueline zusammen zu sein. Sie benutzte kaum noch wirklich
schlimme
Schimpfwörter.
Alix schob ihr Strickzeug auf den Schoß und schloss die Augen. Sie versuchte, den Frust und die Wut zu ignorieren. Dieser Strickkurs sollte ihr dabei helfen, ihre Aggressionen besser in den Griff zu bekommen. Das war der beste Witz aller Zeiten!
Was ihren Ärger noch mehr schürte, war, dass sich Laurel mit John in ihrem Apartment rumtrieb. Sie hatte Alix gebeten, für ein paar Stunden zu verschwinden. Die Sache zwischen den beiden war in der letzten Zeit fester geworden. John war regelmäßig in den Videoladen gekommen, und Alix hasste es, wie ihre Mitbewohnerin ständig von diesem Widerling schwärmte. Was sie betraf, so brachte John nichts als Ärger.
Als sie sich ein bisschen beruhigt hatte, fing sie an, die Reihe vorsichtig wieder aufzulösen, Masche für Masche. Das dauerte länger, als die ganze Reihe zu stricken. Zwei Maschen vor dem Ende der Reihe rutschte ihr die Nadel aus der Hand, und sie verlor eine. Ein unterdrückter Fluch entfuhr ihr, bevor sie ihn sich verkneifen konnte.
Zum Glück war Jacqueline nicht in der Nähe. Jedes Mal, wenn Alix die Kontrolle über ihr Strickzeug verlor – was relativ oft der Fall war – und deswegen fluchte, fühlte Jacqueline sich persönlich angegriffen. Dabei riss Alix sich schon sehr zusammen.
Bisher war sie einer Auseinandersetzung mit der älteren Frau aus dem Weg gegangen. Doch sie spürte, dass es unter der Oberfläche brodelte. Jacqueline duldete Alix, und umgekehrt ging es Alix mit ihr genauso.
Sie fand, dass Jacquelines Weltanschauung mehr als verdreht war. Das Einzige, was sie zu interessieren schien, waren Anspruch und Ansehen. In jeder Unterrichtsstunde saß sie an ihrem Platz und erzählte und erzählte – als ob es wirklich jemanden interessieren würde, wen sie bei welchem Event oder Clubmeeting getroffen hatte. Blabla … die meiste Zeit hatte Alix keine Ahnung, über wen Jacqueline überhaupt sprach.
Sie biss sich auf die Unterlippe und versuchte, die verloren gegangene Masche wieder auf die Stricknadel zu befördern. Doch als sie sie beinahe eingefangen hatte, glitt ihr das Strickzeug erneut aus der Hand, und weitere zwei Reihen ribbelten auf.
Sie murmelte einen noch schlimmeren Fluch und war drauf und dran, das gesamte Projekt einfach hinzuwerfen.
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