Das Muster der Liebe (German Edition)
Plötzlich sah sie mich eindringlich an und fügte hinzu: “Ich möchte, dass du mir jetzt etwas versprichst.”
“Natürlich”, versicherte ich. Sie hatte mich nie zuvor um irgendetwas gebeten, und ich wollte ihren Wunsch auf jeden Fall erfüllen.
“Sag Mom nichts.”
Ich hasste es, Geheimnisse vor unserer Mutter zu haben. Doch in diesem Fall stimmte ich meiner Schwester zu. Es war sinnlos, Mom in Panik zu versetzen, wenn wir noch keine Ergebnisse hatten.
“Danke”, flüsterte sie und wirkte erleichtert.
“Gern, Margaret.”
Sie sah mich an. “Würdest du …” Sie zögerte. “Ich weiß, ich sollte nicht fragen. Aber würdest du mit mir zum Arzt gehen?”
“Ja, sicher.” Ich hatte es selbst schon anbieten wollen.
Sie wirkte überrascht. “Das würdest du tun?”
Ich nickte.
“Du müsstest dein Geschäft schließen.”
“Ich lasse dich nicht allein.”
Tränen schimmerten in ihren Augen, und ich griff nach einem Taschentuch. Immer schon hatte ich bedauert, dass wir uns nicht nahestanden, und jetzt endlich schloss ich sie fest in die Arme.
“Ich bin bei dir, Margaret.”
“Danke.” Sie legte ihren Kopf an meine Schulter und weinte. Eine Weile später hatte sie ihre Fassung zurückerlangt, schnäuzte sich und atmete tief durch. “Ich werde versuchen, den Termin auf einen Montag zu legen – aber wenn es nicht klappt …”
“Es spielt keine Rolle, an welchem Tag oder zu welcher Zeit der Termin ist”, erklärte ich. Ich würde meiner Schwester auf jeden Fall durch diese schwere Zeit helfen.
Margaret wollte etwas erwidern, als das Glöckchen über der Tür ertönte. Diese Störung kam mir gar nicht recht. Doch ich war schließlich im Dienst, und mein Job war es, meine Kunden zu bedienen. Auch wenn es bereits Viertel nach fünf war.
An dem fröhlichen Pfeifen erkannte ich, dass Brad Goetz, mein UPS-Bote, den Laden betreten hatte. Auf einer Karre brachte er drei große Kartons, die er neben der Kasse abstellte. “Wie geht’s?”, fragte er, als er mir das Clipboard zum Unterschreiben reichte, und lehnte sich lässig an den Tresen.
“Wirklich gut”, erwiderte ich und beeilte mich zu unterzeichnen, damit ich ihn schnell wieder loswurde.
“Jedes Mal, wenn ich an Ihrem Geschäft vorbeikomme, sehe ich Frauen. Vor allem freitagnachmittags.”
“Ich gebe freitags Kurse.”
“Das erklärt einiges.” Er schien meine Versuche, ihn zur Tür zu bugsieren, gar nicht wahrzunehmen. “Sie sind bestimmt kaputt am Ende eines solchen Tages.”
“Ja, manchmal.”
Er grinste, denn offenbar lief die Unterhaltung nach seinem Plan. “Warum entspannen Sie sich dann nicht ein wenig und gehen mit mir etwas trinken?”
Das war seine zweite Einladung. Und zu allem Überfluss musste er mich in Gegenwart meiner Schwester fragen.
“Du solltest gehen”, ertönte ihre Stimme aus dem hinteren Teil des Ladens.
“Ja”, bestätigte Brad, der offenbar dankbar für die Unterstützung war. “Wir können ja hier in der Nähe bleiben. Es gibt nur zwei Blocks von hier entfernt eine nette Bar. Keine Verpflichtungen, nur ein paar Minuten Entspannung.”
“Ich danke Ihnen für das Angebot, aber ich denke, ich sollte nicht gehen.” Ich trat zur Tür und öffnete sie. Er schien es immer noch nicht zu begreifen.
Brad hob frustriert die Arme und blickte in Margarets Richtung. “Habe ich vielleicht was Falsches gesagt?”
“Nein … nein”, warf ich ein. Ich wollte nicht, dass er das glaubte.
“Was ist es dann?”
“Es liegt nicht an Ihnen”, antwortete Margaret. “Es liegt an meiner Schwester. Sie hat Angst.”
Ich wollte ihr zurufen, doch bitte den Mund zu halten, aber ich konnte es nicht. Gern hätte ich ihm die Wahrheit von mir aus und zu einem anderen Zeitpunkt gesagt, doch diese Möglichkeit war mir dank Margaret nun genommen. Ihn wieder und wieder abzuweisen, war grausam. Ich schuldete ihm die Wahrheit.
“Ich hatte Krebs”, sagte ich ganz offen. “Nicht nur einmal, sondern zweimal. Und für die Zukunft habe ich keine Garantie, dass der Tumor nicht wieder zurückkehrt – und beim nächsten Mal habe ich wahrscheinlich nicht mehr so viel Glück.”
“Krebs?”, wiederholte er, und an seiner ungläubigen, ja geschockten Miene konnte ich erkennen, dass dies das Letzte war, das er von mir zu hören erwartet hatte.
“Die große, hässliche, böse Variante”, sagte ich und konnte meinen Sarkasmus nicht unterdrücken. “Sie sollten nicht zu viel Gefühl in mich investieren, denn es
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