Das Musterbuch (German Edition)
Vaters.
Angekommen an der Riva degli Schiavoni, wo er sich absetzen liess, eilte Giovanni ins Atelier des Vaters bei San Geminiano, beladen mit einem grossen Paket voller Pigmente in fünf verschiedenen Kästchen sowie einem grossen Schinken aus San Daniele, welchen Antonio mit einem herzlichen Gruss an den Vater Giovanni mitgegeben hatte.
Buon giorno , die Begrüssung Giovanni wurde vom Vater nur mit einem Nicken erwidert. "Ist der grosse Meister aus Padua gar nicht anwesend?" "Die Ironie kannst du dir sparen Giovanni! Nicht einmal hast du dich blicken lassen, als Andrea so um Nicolosia gekämpft hat und nicht einmal an die Pigmente aus Murano hast du gedacht!" Der Vater war entrüstet, was er nur selten gegenüber seinem Jüngsten war.
"Weit gefehlt, lieber Herr Vater, hier hast du die gewünschten Pigmente und noch dazu einen schweren Gruss vom Maestro Vivarini." Giovanni hievte den grossen Schinken aus dem Paket, der nochmals verschnürt in einem Leinensack schon durch das Tuch duftete. "Mmhh, gab sich jetzt auch Gentile hinter der Staffelei zu erkennen. So einen Bruder lob ich mir!"
Der Vater war schon damit beschäftigt, die Pigmente in den Kästchen zu prüfen. Da nahm er die Schachtel kostbarsten ultramarino heraus, wobei seine Augen leuchteten. "Womit werden wir eigentlich die kostspieligen Pigmente bezahlen, verehrter Vater?" fragte der in geschäftlichen Belangen unerfahrene Sohn Giovanni.
"Mit unserem neuen Auftrag" verkündete sein Bruder stolz! „Wovon sprichst du, Gentile", wollte Giovanni wissen. Da mischte sich der Vater ein: "Giovanni, du, dein Bruder und ich, wir werden schon in kurzer Zeit nach Padua aufbrechen und dort ein grosses Altarwerk zu schaffen. Ich benötige dafür eure Hilfe. Dafür gebe ich sogar mein Dekan-Amt für die Scuola San Giovanni Evangelista auf." Giovanni nickte stumm, denn er ahnte, was das zu bedeuten hatte: fern von seiner geliebten Elena, in einer Werkstatt tätig neben Andrea, seinem verhassten Schwager und ohne das Licht der Lagune! Dort würde er eingehen, das wusste er. Wortlos wendete er sich seinem angefangenen 'Christus-Bild' zu. Mit der Landschaft war er zufrieden. Aber die Figuren glichen doch zu sehr denjenigen seines Rivalen Andrea…
Kapitel IX
Die Mittagszeit war vorbei und Giovanni eilte noch eben in die Zaccaria-Kirche, schon bald eine Tradition der Familie Bellini. Nach einem kurzen Gebet verliess der die Cappella di San Tarasio mit dem grossartigen Polyptychon Antonio Vivarinis und stand andächtig davor und ging dann entlang des linken Seitenschiffes dem Ausgang zu. Intuitiv verlangsamte sich sein Schritt vor dem leeren zweiten Altar und Giovanni dachte: ' hier werde ich eines Tages mein Meisterwerk platzieren. In der Nähe Antonios Altarwerk und unweit der Fresken del Castagnos. Hier werde ich euch zeigen, wie sehr die gute alte Tradition einer renovatio bedarf '. Das, was fast wie ein Schwur klang, sollte von Giovanni sehr ernst genommen werden, eines Tages...
Sie stand schon vor der Tür, als Giovanni den Platz von San Lio betrat. "Ganz zu Ihren Diensten!", scherzte Giovanni. Zusammen stiegen sie die Treppen in Giovannis Atelier empor. "Oh schaut nur die schönen Blumen dort im Garten!" Elena hatte, wie Giovanni schon vermutete, eine Schwäche für die Geschenke der Natur, vor allem wenn sie so lieblich waren und dufteten. Beim Betrachten des Nachbargartens vom Treppenhaus her konnte Giovanni ganz nahe an Elena herantreten und den herrlichen Duft ihrer Haare einatmen. Abrupt drehte sich die junge Frau um und spielte mit dem jugendlichen Maler eine Art Fang-Spiel bis hin zum Atelier. Die Türe war gut verschlossen, denn Giovanni bangte um seine Kunstwerke.
Elena nahm Platz am Fenster, wobei sie ihre blaue mantellina fallen liess und eine aprikotfarbene Seidenbluse zum Vorschein kam. Das Mieder darunter war leicht sichtbar, was den Maler nur in seiner Konzentration ein wenig störte.
Giaggiolo - eine Iris - über die Bedeutung dieser botanischen Pflanze war Elena bestens im Bilde: ein Attribut der Mutter Gottes, ihrer unbefleckten Empfängnis.
Nachdem sie den halben Nachmittag stumm einander gegenüber sassen und Giovanni mittlerweile die ersten Farbentwürfe von Elena vornahm, überreichte Giovanni ihr die Zeichnung. Sie dankte ihm und schaute lächelnd auf das Blatt, das der junge Maestro noch gar nicht signiert, geschweige denn gewidmet hatte. Aber die Blume sprach Bände…
***
Kapitel X
Andrea war frohen Mutes von
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