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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Mantovana
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getuschelt.
Ein orientalisches Parfüm breitete sich um die stolze Dame aus, die den Zenit ihres Lebens hinter sich gelassen hatte. Dies zumindest dachte Giovanni, als sie, um ihre transparente Schleppe zum Gang zu heben, kaum an ihre Schenkel langen konnte, ohne ihren üppigen Bauch zu touchieren.
"Wie wünschen der Herr, zart und knackig oder orientalisch und reif?" "Oh, entgegnete Giovanni keck, "Hauptsache ist, sie erinnert mich nicht an meine amazonenhafte Furie von zu Hause!" Giovannis Bluff hatte seine Wirkung getan und schon stand er einem jungen Mädchen gegenüber, das in künstlich frisierter Lockenpracht ihre jungen Knospen im allzu dünnen Hemdchen zur Schau stellte. Irgendwie erinnerte sie ihn an eine ‚ allegorische Gestalt’ …. . Behände nahm sie ihn an die Hand und zog ihn in einen angrenzenden Raum… .
Giovanni legte die Münzen auf den Glasteller auf dem Tisch vor der Tür und verliess leise den Raum. Der Kurtisane steckte er noch einen Dukaten zu und verliess nach Mitternacht das anrüchige Haus. Er war glücklich, auf dem calle keinen bekannten Gesichtern zu begegnen und schlich in wenigen Minuten später die Treppe zu seinem Atelier hinauf. Dort zündete er die Gaslampe an und setzte sich an seine Staffelei und malte das Gesicht der Heiligen Katharina weiter und ihr zu Füssen sanfte Engelchen, wobei ihm eine Melodie leise von den Lippen ging.
     

Kapitel XVII
22. Mai anno 1474
     
     
Mantegnas Schlaf war unruhig nach dem Ritt zum Pesaro-Bild Bellinis und dann hierher nach Gragara. Er wälzte sich hin und her, wobei ihm die schmale Pritsche zuschaffen machte, denn dann und wann ragte ein Körperteil ausserhalb des sicheren Ortes heraus. Er hatte eine trockene Kehle, hatte aber nicht die Kraft, aufzustehen, und seinen Lederbeutel zu holen.
Plötzlich vernahm er ein Knarren, vielleicht eine alte Tür, die sich im leichten Wind gelöst hatte? ‚Andrea Mantegna, berühmter Maler im Dienste der Gonzaga wird doch wohl keine Angst haben‘, ermahnte er sich und richtete sich auf. Nein, da war etwas! Er lauschte in die Nacht hinaus, draussen schien sich ein Reiter zu entfernen, denn er hörte das Traben eines Pferdes. Und dann erst erblickte er schemenhaft den umgefallenen Schemel neben der Tür: dort hatte er leichtsinnigerweise seine Satteltasche abgelegt, die Tasche mit den kostbaren Skizzen Jacopos darin. Oh, nein, doch wohl kein Diebstahl?
     
***
     
     
    Die von Butzbach-Edition war erst vor zwei Jahren in Mantua erschienen. Den alten Codex altonensis, auf welchen sich diese Ausgabe bezog, hatte Andrea nie in den Händen gehabt. Aber Dantes Beschreibung vor der Pforte des Läuterungsberges stand ihm plastisch vor Augen, als er auf das Castell von Gradara blickte, welches als einzige Landmasse hervorstach. Welche waren noch die sieben Todsünden? : Hochmut, Jähzorn, Neid, Habgier, Wollust, Völlerei und Trägheit! Habgier, ja diese falsche Leidenschaft hatte ihn erfasst! Das Musterbuch gehörte ihm – ihm allein. Weder den Bellinis noch einem dahergelaufenen Dieb. Doch, was konnte er tun, um sie wiederzuerlangen? Er verliess noch vor Sonnenaufgang das Gasthaus, nachdem er dem Wirt kurz die Geschichte des nächtlichen Überfalls berichtet hatte. Er bestieg sein ausgeruhtes Pferd und galoppierte davon. Wohin könnte der Dieb geflohen sein? Und was wollte er mit den Skizzen schon anfangen? Sie zu Geld machen? Andrea ritt ziellos umher, denn er wusste ja nicht einmal, wen er suchte – nur was er verloren hatte, und das schmerzte ihn zutiefst…
     
    ***
    Als sacrato poema oder heiliges Gedicht hatte Dante selbst seine Komödie bezeichnet, die später von Boccaccio das Beiwort divina ‚Göttliche‘ erhielt. Hier also, im mittelalterlichen Gradara, soll sich die in der Komödie erzählte Liebesgeschichte zwischen Paolo und Francesca abgespielt haben. Andrea umritt das Castello, weil er in der Rocca das Diebesgut-Versteck vermutete. Die Fortezza ragte 143 Meter empor, doch die Mauern der Festung mit ihren Zinnenkränzen wirkten abweisend. Er stieg dennoch auf steinigem Weg zum Eingangsbereich auf und befand sich kurze Zeit später auf einer grossen Terrasse, von der aus man zu dieser Zeit das Meer bei aufgehender Sonne überblicken konnte. Wäre er nicht so in Rage gewesen, hätte er vielleicht seinen Skizzenblock herausgeholt…Sein Pferd scheute vor den grossen Felsbrocken entlang der Ringmauer. War dies etwa die Terrasse der Stolzen, die nach Dante riesige Steine tragen mussten, um sich

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