Das Musterbuch (German Edition)
des Umbruchs werden, die sich vor allem durch zwei herausragende Aufträge für die Heimatstadt Venedig manifestierte: zwei Polyptychen, eine für Santi Giovanni e Paolo, eine für die Carità-Kirche. Aber davon wusste er zu dieser Zeit noch nichts. Das Altarwerk für die Gattamelata-Kapelle war vollendet. Die Brüder packten ihre Sachen zusammen. Morgen würden sie abreisen, während der Vater noch auf seinen Freund Andrea warten wollte, um sich von ihm gebührend zu verabschieden. Giovanni aber hinterliess als Abschiedsgeschenk eine Tafel für den Schwager mit seiner Version der 'Darbringung im Tempel' als einer Art Familien-Porträt mit Jacopo, Gentile, mit Nicolosia und mit sich selbst im Hintergrund. Wie Andrea wohl hierauf reagieren würde?
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Kapitel XV
anno 1463
Er würde der terra ferma nicht mehr viele Besuche abstatten, das spürte Giovanni intuitiv. Die Serenissima hatte sein Herz eingenommen, und vor allem eine ihrer Bewohnerinnen. Diesmal wollte er derjenige sein, der Elena überraschte. Unmittelbar nach seiner Ankunft, kaum die Kleider im Hause der Eltern gegen neue Leinenhemden und Hosen gewechselt, begab er sich zum Palazzo Loredan. Er selbst wollte dem berühmten Patrizier Loredan das Bildnis seiner Tochter überreichen, und zwar die in Padua entstandene Version mit Elena als betende Madonna mit Blick auf den Christusknaben. Danach wollte er dem Vater seiner Geliebten alles gestehen!
Er stürmte zum Palazzo Loredan und liess sich über die Haushälterin, welche vor der Türe einen Eimer Wasser leerte, anmelden. Das Gemälde fest in ein Leinentuch gebunden wartete Giovanni so im grossen salone des piano nobile , von welchem aus man einen herrlichen Blick über den Canal Grande hatte. Die kassettierte Holzdecke des Raumes schwächte das Licht im Raum ab, so dass er beim Austritt auf den Balkon die Hand schützend vor die Augen legen müsste. Schönster Sonnenschein und ein wolkenloser Himmel! Wenn dies nicht eine wunderbare Voraussetzung für einen Heiratsantrag war.
Hinter sich hörte Giovanni eine Türe knallen. Der Windzug hätte beinahe den grossen Murano-Leuchter an der Decke ins Wanken gebracht. Vor ihm stand sie, Elena.
"Geliebte, lass dich anschauen und umarmen!" Giovanni stellte das Bild ab und wollte die schöne Venezianerin in seine Arme schliessen. Aber Elenas Augen waren vom Weinen geschwollen und leuchteten nur matt. Sogleich kam der Vater hinein, dass Giovanni unvermittelt die Hände von der Loredan-Tochter liess und vor dem Vater auf die Knie fiel.
"Lieber maestro ; ich kenne ihren Herrn Vater von Jugendjahren an, so lasst diese Geste der Unterwerfung und lasst euch in die Arme schliessen." Giovanni war von so viel Zuneigung angetan und war guten Mutes, sein Anliegen unmittelbar hervorzubringen. "Lieber Signor Loredan, ich bringe euch etwas und wünsche etwas zu holen! Hier mein Gemälde eurer schönen Tochter Elena, um deren Hand ich hiermit anhalten möchte!" Verdutzt schaute der Vater auf das ihm gereichte Geschenk und suchte beim Auspacken gewählt die Worte einer Entgegnung: "Aber Giovanni, Elena ist doch bereits verlobt! Hat sich das denn nicht bis Padua herumgesprochen? Sie ist bereits dem Jüngsten des Signor Contarini versprochen und bald schon werde ich ihre Hochzeit kundgeben."
Die Miene Giovannis, noch eben voller Enthusiasmus und guter Laune, schlug in verzweifelten Ausdruck um. Von der Tochter zum Vater schweifte sein Blick und er sah, dass Elena Tränen über das Gesicht liefen. So schnell er konnte, griff Giovanni seinen Barrett und stürmte aus dem salone . Erst auf der piazza atmete er tief ein; es hatte ihm die Luft geraubt. Panik und Herzklopfen begleiteten ihn bis hin zum Calle San Mosé; erst dort beruhigten sich sein Schritt und seine Atmung etwas. Ihm war, als wäre ihm ein geliebter Mensch gestorben. Wie sollte er je wieder glücklich werden?
Teil 2: Jahre in Venedig
Kapitel XVI
Das oftmals zitierte Licht Venedigs, das eine Symbiose aus feinsten Wasserelementen und Sonnenflut war, hatte grossen Einfluss auf die Landschaftsgestaltung der Renaissance-Maler. 'Sfumato' wurde dies später in der Malerei Leonardos, der in Vinci in der Toskana 1452 geborene Künstler, der später sogar die Serenissima aufsuchte. Auch bei Künstlern aus der Werkstatt Bellini entwickelte sich eine typische weiche Zeichnung des Bildhintergrunds, welcher bei den flämischen Meistern noch recht unbelebt und künstlich wirkte.
Dennoch, Meister wie Dirk
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