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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Mantovana
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gefeiert, nirgends aber so enthusiastisch wie in Venedig!
Oftmals wurde das Fest Wochen vorher vorbereitet, es wurden Masken geschnitzt und Kostüme entworfen. Aber auch die Serenissima selbst erhielt ein neues Aussehen: Girlanden wurden aufgehängt, Palastfassaden neu bemalt und die Brücken erhielten ihr eigenes blumenüberzogenes Festkleid.
Viele Handwerker, Maler und Goldschmiede waren damit beschäftigt, den unzähligen Aufträgen aus den reichen Patrizierhäusern gerecht zu werden. Dabei galt die Devise: wer am besten zahlte, der erhielt die prachtvollste Verkleidung!
Gentile Bellini war in diesen Tag kaum länger als eine Stunde an einem Ort zu sehen. Er raste vom Atelier zu den Palazzi der reichen Venezianer und verhandelte um Materialkosten für Stoffe, Farben, Goldverzierungen und natürlich um Arbeiterkosten. In dieser Zeit konnte er für zwei Monate doppelt so viele Gehilfen einstellen - doch diese mussten bezahlt werden. So profitierte ein jeder vom grossen Geschäft und der Carnevale entpuppte sich als beliebte Einnahmequelle für alle, die mit dem Kunsthandwerk zu tun hatten.
Es war während der Zeit, als der grosse Meister aus der Toskana, Leonardo da Vinci, in Venedig weilte. Mit seinen achtundvierzig Jahren war er immer noch im besten Mannesalter und voller Tatendrang. Sein impulsiver Geist wurde gleichwohl in den Gefilden der Lagune etwas beruhigt; dies bewirkte vor allem die Kunst Giovanni Bellinis, der dank seines Alters und seiner Reife sich kaum noch vom Wirbel der Karneval-Anhänger mitreissen liess. Er widmete sich vollends seinen Madonnenbildern, die dem Toskaner viel Inspiration lieferten. Wie so häufig stand Leonardo auch an diesem Tage im Atelier Giovannis und schaute ihm über die Schulter.
"Du liebst die Tiere, das sehe ich auf deiner Tafel mit dem Hieronymus dort drüben: wie zärtlich die beiden Häschen einander berühren! Und du liebst die Menschen: so wie deine Maria hier auf ihr Kind blickt…„ er wies dabei auf die Staffelei, "so schaut nur eine liebende Mutter! Und dein Täufer daneben schliesst sich dieser Liebeserklärung an. Doch wen stellt die erhabene Heilige daneben dar? Und warum wendet sie sich ab?" Giovanni wusste, dass er dem von ihm geschätzten Maler eine tiefgreifende Antwort schuldig war. Deshalb holte er weit aus.
"Wenn ich eine Gottesmutter male, dann habe ich ein Vorbild aus der Realität vor Augen. Denn ich glaube, dass die Vermittlung der Botschaft der Liebe, durch die Gottesmutter zu ihrem Sohn und durch Christus zur Menschheit, wirklichkeitsnah sein muss. Sonst wird die Darstellung ihr Ziel nicht erreichen. Schau einmal: die Mutter und die Frau rechts, scheinen sie dir nicht verwandt? Ich habe ein einziges Modell gewählt um beide darzustellen, die Mutter und die Büsserin. Meine Elena, die ich als junger Mann abgöttisch liebte, hat mir ein Kind geboren. Dankbar hält sie das Kind im Arm. Die abgewandte Frau, das ist Elena heute. Der Spalt zwischen ihr und der jungen Mutter ist gross, ihr Gesichtsausdruck zeigt Resignation. Links zwischen den Heiligen siehst du eine Stadtlandschaft: das ist unsere Serenissima , eine Stadt am Wasser und du siehst ein Schiff, das alle Hoffnung auf ein gemeinsames Leben symbolisiert. Rechts hingegen habe ich eine idyllische Arkadienlandschaft angedeutet. Hierin steckt die Sehnsucht, Unerreichtes im Leben als Traum zu bewahren. Bewusst habe ich also diese zweite Frau auf Distanz ins Bild gesetzt und mit ihr meine Erinnerung an einen schönen Traum und meinen Glauben daran!“
"...dann bist du..., dann ist der junge Täufer niemand anders als...“, Leonardo wagte kaum, seine nahe liegende Vermutung auszusprechen, "aber wie wird der Betrachter diese Geschichte je erfahren?" "Nein, niemals! Und er soll sie auch gar nicht kennen, er soll nur spüren , dass ich hierin starke Emotionen hineingelegt habe. Mehr nicht, basta . Ich rate dir, dies immer zu bedenken: wer seine innersten Geschichten im Bild verwirklicht, wird durch die Tiefe seiner eigenen Emotionen den Betrachter erreichen. Aber ein gewisses Geheimnis ist erst der Schlüssel zum Reiz eines Gemäldes!"
Diese Gedanken nahm Leonardo mit und hatte schon seine eigene Geschichte vor Augen, die Liebe zu seiner Mutter im Dorf Vinci, das er als kleiner Knabe verlassen musste, um vom Vater in Florenz erzogen zu werden. Ja, die Liebe zu seiner Mutter sollte Impetus für all seine Madonnenbildern fortan werden! Und er hatte eine 'Anna Selbdritt' vor Augen, mit einem spielenden

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