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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Mantovana
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auf der Fischer und Schiffer bei Sturm Zuflucht suchten, benannt nach der Mutter des Kaisers Konstantin, beherbergte ein Kloster. Die Klosterkirche war noch offen, und erst als er die Reliquienkapelle der Heiligen Elena betrat wurde es ganz still in ihm. Rechts von ihm befand sich die Kruzifix-Kapelle. Dies war also seine via crucis für heute, wohin aber würde ihn die Liebe zu Elena in Zukunft noch treiben?
     
***
     
     
Am nächsten Morgen versammelte sich die Familie Bellini am Frühstückstisch, den die Mutter zu Ehren des Schwiegersohnes aus Padua festlich gedeckt hatte: Obst, Kaffee, frittierter Fisch, Eier und noch Reste vom Fasan des Abend zuvor.
Der Vater ergriff das Wort: "Andrea, lieber Schwiegersohn, die Mitgift deiner Braut, um welche du noch gar nicht gefragt hast, besteht nicht aus Gütern oder Dukaten, die Mitgift soll - wie kann man es sich anders von einem Maler vorstellen - ein Kunststück sein!" Die beiden Söhne sahen sich an. Sollte der Vater etwa sein Werk vollkommener Liebe an diesen Möchte-Gern-Maler weiterreichen? Die Legnaro-Madonna war das anmutigste, was Vater vollbracht hatte. Mit welch spielerischem Trieb streichelte der kleine Christus seine Mutter-Es wirkte wie eine intime Interpretation der Pala d'Oro, dem Glanzstück zusammengesetzt aus Beutegut der Kreuzzüge mit Edelsteinen und Gemmen besetzt, ein Retabel aus Gold und Silber noch hinter dem Hochaltar von San Marco. Wann und wie würde Mantegna das Tempera-Bild Jacopos kopieren? Schon Jacopos ‚Christus mit Kreuz’ im Alten Kastell von Verona war für Andrea Inspiration seiner Fresken in der Eremitani-Kirche gewesen. Vor allem der monochrome Fries mit mythologischen Szenen in der unterbrochenen Mauer hinter dem das Kruzifix tragenden Christus gab reichlich Ideen für die pseudo-Stuck-Malerei in seinen Architekturfeldern.
Aber schon reichte der Vater Andrea ein kleines verschnürtes Paket, das dieser ungestüm und mit grosser Freude öffnete. Zum Vorschein kamen an die hundert Blätter, Skizzen und Studien zu begonnenen oder verworfenen Bilder, ein Material, das die kleine Madonna bei weitem noch übertraf, wusste doch jeder Maler, das in den Musterblättern eines Meisters sein grösstes künstlerisches Erbe steckte! Nun brauchte Andrea diese Blätter nur noch auszuschöpfen...
     

 
Kapitel V
     
     
Emphatisch mischte Andrea die Farben auf seiner Palette, terra di Siena , terra verde und viel bianco San Giovanni , ein Pigment, das aus Florenz kam und nach dem Schutzheiligen der Stadt benannt wurde. Die Pigmente waren von seinem Freund Niccolò perfekt aufbereitet, erhitzt, zermahlen und gewaschen worden, ehe der Maler sie zum Freskieren verwenden konnte. Wo aber blieb Niccolò heute?
Nachdem Andrea aus Venedig zurückgekehrt war, hatte er nur noch den Streit mit seinem Schwager Giovanni im Kopf. Dabei hatte der feinsinnige Venezianer im ruhigen Ton seine Vorwürfe des Plagiats an ihn gerichtet. Er jedoch, impulsiv von Natur aus, stiess den reichlich und schön gedeckten Tisch im Haus Bellini einfach um und verliess das Haus. Glücklicherweise eilte ihm sein Freund Jacopo nach, der zwar Verständnis für sein Temperament hatte, jedoch an die Rücksichtnahme des Schwiegersohnes gegenüber seiner hochschwangeren Tochter appellierte. Wenn Andrea doch schon gewusst hätte, wie sensibel Nicolosia war und wie sehr die psychischen Belastungen ihre körperliche Konstitution schwächen würden!
Andrea malte und malte, ganz ohne Vorlage und in einem Guss entstand die Figur des Schächers, der mit einem Holzhammer zum Schlage ausholte, um das Haupt des Märtyrers zu treffen, da stürzte Bartolomeo, jüngster Bruder von Antonio Vivarini von Murano, in den Kirchenraum, geradewegs auf Andrea zu: "Andrea, komm schnell, Niccolò liegt im Sterben!"
Die letzten Sakramente hatte er von einem Pater der Kirche San Antonio erhalten. Wie als Toter schon lag er in seiner camera soggiorno auf der einfachen Pritsche, die neben einem Tisch, einem Waschbecken aus Stein und einer Tafel der 'Madonna Maria' seine bescheidene Unterkunft ausfüllte. "Niccolò, mein Geliebter", entfuhr es Andrea voller Anteilnahme und Trauer, denn der Maler-Gefährte war ihm auch als Mensch sehr ans Herz gewachsen. Jetzt erst erfuhr er von der Todeskrankheit, die seinen lieben Freund schon seit Wochen befallen hatte und die ihn nun unwiderruflich in das Reich Gottes führen würde. Denn, dass Niccolò ein guter Christ war, bezeugten nicht nur die vielen Madonnen-Tafeln von

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