Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
nach der ersten
Zusammenkunft der Befehlshaber, es wären an die sechzigtausend Ritter, Knappen,
Berittene und Fußsoldaten, ein gewaltiges Kreuzfahrerheer.
Aber bald bekam meine anfängliche Euphorie, die mich beim
Anblick so vieler Streiter für das Christentum befallen hatte, einen argen
Dämpfer.
Es begann damit, dass wir als die zuletzt Eingetroffenen
unsere Zelte nahe am Rande des riesigen Lagers aufschlagen mussten, unweit von
den Latrinengräben. Es stank erbärmlich, auch wenn die Gräben immer wieder
zugeschüttet und neue ausgehoben wurden. Zudem brach im Lager eine Seuche aus,
die sich rasend schnell ausbreitete und an der bald ein großer Teil der Männer
im Heerlager litt. Bald gab es die ersten Toten.
Dann erkrankte auch unser Kaiser. Der Kreuzzug schien unter
keinem guten Stern zu stehen. Aber Friedrich dachte nicht daran, das
Unternehmen abzubrechen, obwohl es ihm täglich schlechter ging.
Ungeachtet der ausgebrochenen Seuche und der Erkrankung des
Kaisers stach die Flotte von über fünfzig Galeeren von Brindisi aus wie geplant
in See.
Wir waren auf einem der ersten Schiffe untergebracht, die
den Hafen in Richtung Osten verließen. Die dickbäuchige Galeere konnte neben
der Besatzung bis zu fünfzig Bewaffnete und eine entsprechende Anzahl von
Pferden aufnehmen, die im Schiffsrumpf in mit Stroh ausgelegten Pferchen
untergebracht waren. Da der vorhandene Platz mehr als beengt war, mussten sich
immer mehrere Ritter oder Soldaten einen Schlafraum teilen. Ich war zusammen
mit zwei weiteren Rittern nebst unseren Knappen in einem engen Verschlag
untergebracht, in dem man kaum stehen konnte. Sechs Hängematten, ein paar roh
gezimmerte Kisten für unsere Habe und ein an der Bordwand befestigter Eimer mit
Deckel für die Notdurft waren die einzigen Einrichtungsgegenstände.
Damit hausten wir allerdings besser als die einfachen
Soldaten, die wie auch meine Waffenknechte unter Deck so dicht zusammengepfercht
waren, dass sie kaum in die Hängematten klettern konnten, ohne den Nachbarn
anzurempeln. Dort war die Luft zum Schneiden dick.
Nachdem ich mit Hilfe von Hans unser Gepäck verstaut hatte,
kroch ich über die knarrende Stiege wieder an Deck. Unwillkürlich musste ich
die Matrosen bewundern, die in schwindelnder Höhe in der Takelage herumturnten.
Langsam entfernten wir uns vom Ufer. Kaum hatten wir die
Hafenbucht verlassen, wurden die Riemen eingeholt und die Segel gesetzt.
Ein leichter Wind trieb uns zusammen mit den anderen
Schiffen des Verbandes hinaus auf das offene Meer. Die Masten knarrten, die
Segel blähten sich und die Flotte nahm Fahrt auf. Der Bug hob und senkte sich
gemächlich und durchpflügte die schaumbesetzten Wellen. Kreischende Möwen begleiteten
uns.
Ich stand an der Reling und betrachtete die immer kleiner
werdende Küste. Obwohl ich selbst am Meer aufgewachsen bin, war es für mich
eine neue Erfahrung, auf einem so großen Schiff zu segeln. Bisher kannte ich
nur kleine Fischerboote, die mich als Knaben trotz des Verbots meines Vaters
manchmal mitgenommen hatten.
„Na, junger Freund?“, tönte plötzlich die tiefe Stimme Svens
neben mir, „haltet Ihr nach Seeräubern Auss-hau?“
„Wenn die Euch sehen, nehmen sie bestimmt Reißaus“,
entgegnete ich grinsend. Ich mochte diesen Riesen, der zum Fürchten aussah,
aber ein gutmütiges Wesen hatte.
Der hünenhafte Ritter lachte rau. „Wenn sie von Euren
Heldentaten wüssten, würden sie sich erst recht nicht in unsere Nähe trauen“,
gab er zurück.
„Diese so genannten Heldentaten werden immer größer,
je öfter davon erzählt wird“, stellte ich klar, „ich habe nur getan, was alle
getan haben: versucht, meine Haut zu retten und möglichst in einem Stück wieder
aus dem Hexenkessel herauszukommen.“
„Nicht so bes-heiden, junger Freund. Auch ich habe Euch mein
Leben zu verdanken.“
„Wohl eher Eurer Axt.“
„Zu gleichen Teilen“, räumte Ritter Sven ein, dann wechselte
er das Thema. „Der Wind s-teht sehr gut, wir kommen s-hnell voran.“
Der Normanne sah zum fast wolkenlosen Himmel auf und nickte
zufrieden. Das Wetter meinte es tatsächlich gut mit uns und wir segelten
gemächlich dahin, immer in Sichtweite der anderen Schiffe.
Zunächst glaubte ich, auf dem Boden auf meinem Mantel besser
schlafen zu können als in der schwankenden Hängematte. Doch beim ersten
Wellengang wurde ich eines Besseren belehrt, denn ich begann hin und her zu
rollen und kletterte doch lieber in meine Hängematte, welche
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