Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
riskiert, um sie
zu retten.
Der Hang wurde flacher und schließlich schlängelte sich der
Weg direkt am Fluss entlang, der auf der anderen Seite von hohen Bäumen gesäumt
wurde.
Hinter der nächsten Biegung tat sich eine kleine Lichtung
auf. Der Fluss verbreiterte sich hier und floss daher langsamer.
Sie traute ihren Augen nicht, als sie plötzlich Sven ans
Ufer waten sah, der einen leblosen Körper hinter sich herzog.
Ihr Herz setzte kurz aus, als sie Conrads leblosen Körper
sah, den Sven aus dem Wasser hievte und auf die Wiese legte.
So schnell Line konnte, rannte sie zu ihm und fiel neben ihm
auf die Knie.
Sven war ebenfalls auf die Knie gefallen und schaute
keuchend von seinem leblosen Freund zu Line.
Conrad lag auf dem Rücken, erschreckend blass im Gesicht,
mit blauen Lippen. Er gab kein Lebenszeichen von sich.
Obwohl Lines Hände zitterten, tat sie, was notwendig war. In
fliegender Hast öffnete sie das Wams, legte ihm die Arme über den Kopf und
presste beide Hände auf den Brustkorb. Wie sie befürchtet hatte, war Wasser in
die Lunge gedrungen, das nach einigen ruckartigen Pressbewegungen mit einem
Schwall aus seinem Mund schoss. Conrad begann zu husten, was zunächst ein gutes
Zeichen war. Aber er war noch immer nicht ansprechbar. Auch ein paar Ohrfeigen,
die ihm Line verzweifelt verabreichte, brachten ihn nicht zur Besinnung.
Aus Erfahrung wusste sie, dass sein Körper lebensgefährlich
unterkühlt war, wie die bleiche Haut und die blauen Adern ihr verrieten. Es
bestand die Gefahr, dass er an Unterkühlung starb. Sein Puls war kaum zu
spüren, seine Atmung erschreckend flach.
„Wir brauchen ein Feuer“, sagte sie äußerlich ruhig an Sven
gewandt, „sonst stirbt er.“
Sven, dessen Lippen ebenfalls blau waren, zog sein nasses
Hemd aus und eilte zu seinen Satteltaschen. Nach einigem Suchen holte er
Pyritsteine und Zunder hervor, um Feuer zu machen. Aber er wusste, es dauerte
zu lange, bis die Flammen genügend Wärme entwickelten, seinen Freund zu wärmen.
Während dessen befreite Line Conrad von seinen durchnässten
Sachen, bettete ihn auf Svens Pferdedecke und wickelte diese um ihn. Dann
betete sie zu Gott und der heiligen Jungfrau Maria um seine Rettung.
„Das wird nicht reichen. Was er jetzt braucht, ist keine
Heilige“, hörte sie Sven sagen. „Aber du kannst ihm vielleicht helfen.“
Verständnislos starrte Line den Normannen an.
„Wenn der Körper ausgekühlt ist, kann er auch unter einer
Decke keine Wärme entwickeln“, erklärte Sven, „die Decke allein kann ihn nicht
wärmen.“
„Was soll ich nur tun?“, fragte sie verzweifelt, während ihr
die Tränen über die Wangen liefen und sie Conrads Füße massierte, um den
Blutkreislauf anzuregen.
„Ich kann dir sagen, was unsere Frauen im fernen Norden tun,
wenn ihre Männer halb erfroren von der Jagd nach Hause kommen“, sagte der Hüne,
„sie wärmen sie mit ihrem Körper. Nichts erhitzt das Blut eines Mannes
schneller als die Umarmung einer Frau.“
Entgeistert riss Line die Augen auf und starrte den Ritter
an, während sie langsam errötete. Dieser erwiderte ruhig den Blick, ohne eine
Regung zu zeigen.
Line schluckte, aber sie hatte keine Wahl, wenn sie Conrad
retten wollte. Dafür wollte sie bedingungslos alles tun. Also warf sie alle
Bedenken beiseite, zog sich ihr Kleid mitsamt dem Unterkleid über den Kopf und
schlüpfte flink zu Conrad unter die Decke. So eng wie möglich schmiegte sie
sich an ihn.
Sven legte auch noch seinen Mantel über sie, so dass es fast
dunkel wurde. Nur eine kleine Öffnung blieb, durch die etwas Licht fiel, so
dass Line Conrads Gesicht sehen konnte. Sie kuschelte sich an ihn und schlang
Arme und Beine um seinen erschreckend kalten Körper, um ihm so viel wie nur
möglich von ihrer Wärme abzugeben.
„Bleib bei mir“, flüsterte sie dicht an seinem Ohr. Sie
konnte seinen Herzschlag spüren, schwach und erschreckend langsam, aber
regelmäßig.
Plötzlich ging ein Zittern durch seinen Körper. Line atmete
auf. Sie wusste, dass die Muskelkontraktionen ein gutes Zeichen waren. Der
ausgekühlte Körper begann sich gegen die Auskühlung zu wehren.
Line hätte weinen können vor Glück, als sie spürte, dass
seine Haut nicht mehr ganz so kalt war wie noch vor wenigen Augenblicken. Noch
war Conrad nicht bei Bewusstsein, als er einen leisen Laut von sich gab. Aber
das Mädchen wusste, das Schlimmste war überstanden. Ohne nachzudenken bedeckte
sie sein Gesicht mit Küssen. Sie
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