Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
einer sechs Fuß hohen Feldsteinmauer eingefriedet
waren, durchbrochen von zwei offen stehenden, gegenüberliegenden Toren.
Da sie nur noch ein paar Tagesreisen von ihrem Ziel entfernt
waren, beschloss die kleine Reisegruppe, die nächste Nacht nicht mehr unter
freiem Himmel zu verbringen.
Line besaß noch ein paar Schillinge und Pfennige, die für
ein gutes Mahl, ein paar Krüge Wein und ein anständiges Nachtlager reichen
würden.
Am Morgen hatte sie noch einmal Svens Bein behandelt, wie
sie es seit ihrem Aufbruch jeden Tag tat. Die Wunde war fast verheilt und er
brauchte keinen Verband mehr tragen.
In froher Erwartung lang entbehrter Annehmlichkeiten
passierten sie das südliche Tor und sahen sich neugierig um. Alles sah
ordentlich und sauber aus. Die drei saßen ab und wurden von einem Knecht
begrüßt, der die Zügel der Pferde ergriff, um sie zum Stall zu führen.
Allerdings rechnete er nicht mit dem Eigensinn Hektors, der
seinen Kopf hochwarf und sich so seinem Griff entzog. Hätte Conrad nicht
eingegriffen, wäre der Knecht vielleicht sogar verletzt worden.
Schließlich führte Conrad sein Ross persönlich in den Stall,
um es in eines der Boxen zu stellen, während sich der Knecht in respektvoller
Entfernung hielt.
Während Sven und Line mit dem Gepäck auf Conrad warteten,
kam ein kleines Mädchen auf sie zu und beäugte den Korb mit dem Kater, den Line
in der Hand hielt.
Line hob Flecki aus dem Korb und setzte ihn ins Gras. Das
Mädchen kniete sich neben ihm nieder.
„Darf ich die Katze streicheln?“, fragte sie schüchtern.
„Aber natürlich“, sagte Line, „aber es ist ein Kater. Er
heißt Flecki.“
„Flecki“, wiederholte die Kleine und streckte ihre Hand aus.
Flecki kam näher und schnüffelte daran, dann ließ er sich gnädig streicheln.
„Und ich heiße Antje. Und das ist Johann.“
Sie zeigte mit dem Finger auf einen etwas älteren Knaben,
der sich im Hintergrund hielt und die Reisegesellschaft neugierig betrachtete.
Es waren sicher die Kinder des Gastwirts oder einer seiner Angestellten.
„Antje ist ein sehr schöner Name“, behauptete Line. „Kannst
du auf Flecki aufpassen?“
Die Kleine nickte eifrig. „Ich werde Flecki was zu essen
geben“, sagte sie wichtigtuerisch. Dann nahm sie ihn auf den Arm und lächelte
glücklich. Als sie zum Hintereingang des Hauses ging, folgte ihr Johann.
Line war froh, dass der Kater versorgt war und sah den
Kindern lächelnd nach.
Der Schankraum war an diesem Nachmittag noch nicht gut
besucht, als die kleine Reisegesellschaft eintrat. Nur ein paar Bauern waren
anwesend, die nach getaner Arbeit an den Tischen saßen und zechten. Alle
schauten hoch, unterbrachen ihre Gespräche und musterten die Fremden.
Conrad suchte einen Tisch in der hinteren Ecke aus,
gegenüber der Tür. Von hier aus konnte man mit der Wand im Rücken den ganzen
Schankraum überblicken. Sven ließ sich ächzend auf die Holzbank sinken und
stellte seine Axt griffbereit neben sich an die Wand.
Line bemerkte die respektvollen, beinahe ängstlichen Blicke
der wenigen Gäste auf den normannischen Ritter und war wieder einmal froh über
die Begleitung des Hünen. Mit diesem Reisebegleiter brauchten sie wirklich
niemanden zu fürchten.
Der dicke Wirt kam sofort auf die neuen Gäste zu und
dienerte vor Sven, in dem er den Anführer der Gruppe vermutete. Conrad mochte
er für seinen Knappen halten, da er zwar ein Schwert trug, für einen Ritter
aber viel zu ärmlich gekleidet war. Ein Waffenkenner hätte sich allerdings über
Conrads wertvolle Waffe gewundert.
Für seine Leibesfülle war der Wirt erstaunlich flink auf den
Beinen. Seinem gutmütigen Gesicht, welches von einer dicken, roten Nase
dominiert wurde, sah man seine Vorliebe für einen guten Tropfen an. Wortreich
lobte er seine Küche und empfahl eine kräftige Suppe, Schweinebraten mit frisch
gebackenem Brot und dazu einen guten Rotwein.
Sven bestellte drei Teller Suppe, eine große Platte Braten,
dazu reichlich Brot und einen Krug Wein.
Sofort brachte die noch sehr junge Schankmagd den Wein, der
zwar etwas sauer und verdünnt war, aber dennoch köstlich schmeckte, nachdem sie
tagelang nur Wasser getrunken hatten. Es dauerte nicht lange, bis die Suppe kam
und nach geraumer Zeit folgte schließlich auch der Braten. Nach den
Entbehrungen der letzten Tage kamen ihnen die Speisen wie ein wahres Festessen
vor.
Während sie genüsslich schmausten, wurde plötzlich die Tür
aufgerissen. Ein
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