Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
abspielte.
Sie war noch einige Schritte von dem Kerl entfernt, der Line
bedrohte, als dieser sie anrief. „He, du da!“, krächzte er mit rauer Stimme,
„mach, das du wegkommst, du blödes Weib, wenn dir dein Leben lieb ist.“
Dabei nahm er kurz die Klinge von Lines Kehle und fuchtelte
wütend in Richtung des jungen Mädchens herum, die augenscheinlich sehr
erschrocken war, die Augen aufriss und die Messer fallen ließ. Bis auf eines.
Antonia hatte nur darauf gewartet, dass der Kerl kurzzeitig
die Klinge von Lines Kehle nahm. Blitzschnell schoss ihr rechter Arm nach vorn,
das Messer flog aufblitzend durch die Luft und im nächsten Moment gab der Dürre
einen gurgelnden Ton von sich. Er riss die Augen auf und ließ Line los, die
beinahe zu Boden gestürzt wäre und von ihm wegtaumelte.
Sein Dolch fiel zu Boden und er presste beide Hände an die
Kehle. Eine Blutfontäne schoss zwischen seinen Fingern hervor.
Sofort stürmte Conrad los.
Der zweite Kerl hob seinen Knüppel und stürzte sich jetzt
wutentbrannt auf Antonia, die dem Hieb auswich, indem sie sich einfach zu Boden
warf.
Kurz bevor Conrad die Kämpfenden erreichte, drehte Antonia
sich schnell zur Seite, um auch dem zweiten Hieb auszuweichen, der sie nur
leicht an der Schulter streifte.
Als der Wegelagerer zum dritten Mal ausholte, rammte Conrad
ihm mitten im Lauf das Schwert in die Seite. Dann sah er sich keuchend um. Line
war unversehrt, bis auf den kleinen Kratzer am Hals. Mit zwei Sätzen war er bei
ihr, riss sie an sich und schloss sie unendlich erleichtert in die Arme.
Sven stand breitbeinig mit erhobener Streitaxt auf dem Weg
und bot einen Furcht erregenden Anblick. Er suchte den Waldrand mit den Augen
ab und wartete, ob der Rest der Bande noch einmal auftauchte. Aber diese ließen
sich nicht mehr blicken.
Der Hüne half Antonia auf die Beine und nickte ihr
anerkennend zu. Das Mädchen zitterte leicht, versuchte aber ein zaghaftes
Lächeln. Plötzlich drehte sie sich um und übergab sich. Leichenblass richtete
sie sich wieder auf und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. Beschämt
schaute sie zu Boden.
„Du musst dich nicht s-hämen. Nachdem ich meinen ersten
Feind ers-hlagen hatte, habe ich auch gekotzt“, sagte Sven ungewöhnlich
einfühlsam. „Es war ein Ritter wie ich, sein Fehler war nur, dass er auf der
gegneris-hen Seite s-tand. Der Kerl, den du erledigt hast, war dagegen nur ein
S-trolch, der es nicht besser verdient. Früher oder s-päter hätte ihn ohnehin
jemand aufges-hlitzt, oder er wäre am Galgen gelandet. Um den ist es nicht
s-hade.“
Antonia nickte mechanisch.
„Du hast wie ein Mann gehandelt“, bekräftigte Conrad
anerkennend, „mutig und entschlossen.“
Antonia lächelte mühsam. „Aber ich hatte schreckliche
Angst“, sagte sie kleinlaut.
„Mut heißt nicht, keine Angst zu haben, sondern sie zu
überwinden, wenn es nötig ist“, entgegnete Conrad. „Das hat vor langer Zeit
einmal mein Vater zu mir gesagt.“
„Du warst nicht nur mutig, sondern auch besonnen“, ergänzte
Sven ernst. „Im Gegensatz zu uns. Wir dagegen sind einfach losges-türmt, ohne
zu überlegen.“
Antonia wurde rot und ihre Augen strahlten. Jetzt sah sie
mit ihren zu kurzen, weit abstehenden Haaren beinahe wieder jungenhaft aus.
In diesem Moment trat der ältere der beiden vermutlichen
Kaufleute an Sven heran. Seine Kleidung war bequem, aber elegant und bestand
aus teuren Stoffen. Er war sehr gut genährt und schien noch keineswegs
gebrechlich zu sein.
„Mein Name ist Hilbrecht Lauckner, ich bin ein Kaufmann aus
Aschaffenburg“, sagte er mit dunkler, angenehmer Stimme und verbeugte sich kurz
vor Sven. „Ich stehe tief in Eurer Schuld. Euch hat der Himmel geschickt. Ihr
seid gerade noch rechtzeitig gekommen.“
„Ja, das war knapp“, bestätigte einer der Reisigen, ein
kleiner, aber ebenso breiter Mann in den besten Jahren, „Ihr seit gerade
rechtzeitig aufgetaucht. Um ein Haar hätten wir Euch keine Lumpen mehr zum
Erschlagen übrig gelassen.“ Er grinste breit. Sein wettergegerbtes Gesicht sah
die beiden Männer anerkennend an. „Solche Männer wie Euch hat man gern an
seiner Seite. Ich bin Gunter, der Hauptmann der Begleitmannschaft“, stellte er
sich vor.
Er trug einen breitkrempigen, leicht verbeulten Helm und
einen Spieß. Sein Lederkoller war an den breiten Schultern mit Metallplatten
bestückt. Aus einer Fleischwunde am Oberarm lief Blut herunter, aber das schien
er gar nicht zu bemerken.
„Diese Wälder
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