Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
weggejagt zu werden oder
Schlimmeres. Schließlich steht es unter schwerer Strafe, sich als Frau wie ein
Mann zu kleiden und sich als solcher auszugeben.“
„Ich wollte den richtigen Zeitpunkt abwarten“, sagte Antonia
kleinlaut. „Aber dann habe ich es immer wieder verschoben. Line hat mich
schließlich gedrängt. Ich bin so glücklich, dass Ihr mir nicht böse seid.“ Bei
den letzten Worten sah sie Sven dankbar an.
Sven schaute drein, als könne er ihr niemals böse sein
können, was auch immer sie tat.
"Und ich Narr habe mir eingebildet, du und
Antonio…äh…Antonia…", brachte Conrad hervor und brach beschämt ab.
„Line ist für mich wie eine große Schwester, Herr",
sagte Antonia. Nach einer kurzen Pause setzte sie keck hinzu: "Aber Ihr tätet mir schon gefallen, wenn Euer Herz nicht bereits vergeben wäre."
Dabei grinste sie schelmisch.
Demonstrativ runzelte Line die Stirn und warf ihr einen
nicht ernst gemeinten bösen Blick zu.
Jetzt schaute Conrad so verdattert drein, dass die Mädchen
kichern mussten.
Als Sven Conrads Gesichtsausdruck sah, lachte auch er
dröhnend, bis schließlich auch Conrad angesteckt wurde und lächeln musste. Das
dunkle, kehlige Lachen der Männer mischte sich mit den hellen Stimmen der
Frauen, und hallte weit über die abendliche Wiese, so dass der Köhler erstaunt
herüber schaute. Es war ein befreiendes, unbekümmertes Lachen. Alle Anspannung
der letzten Tage fiel von ihnen ab.
Die Verabschiedung von dem freundlichen Köhler und seiner
Familie fiel sehr herzlich aus. Besonders die Kinder bedauerten, dass die
Fremden weiterziehen mussten. Hier im Wald gab es nicht viel Abwechslung und
sie freuten sich über jeden Besuch.
Glücklicher Weise besaß Line noch ein paar Schillinge und
Pfennige. So konnte sie der Köhlerfamilie ihre Gastfreundschaft vergelten,
nachdem sie der Köhlerin bereits das Kleid für Antonia abgekauft hatte.
Sven war das sehr peinlich, denn seine Geldkatze war seit
dem letzten Gasthausbesuch leer.
XVIII
Im Odenwald
Neblungmond Anno 1229
Stundenlang waren sie nun schon unterwegs und der dichte
Wald schien kein Ende zu nehmen. Seit geraumer Zeit waren sie auf einem
ziemlich breiten Weg unterwegs, der deutliche Wagenspuren trug. Zu anderen
Jahreszeiten waren hier sicher viele Menschen unterwegs. Der Tag war kalt und
bunte Blätter rieselten von den Bäumen auf sie herab. Unwillkürlich musste
Conrad an den Einzug des Kreuzfahrerheeres in Byzanz denken, als sie von den
Frauen und Mädchen mit Blütenblättern überhäuft worden waren.
Fast glaubte er die Jubelrufe zu hören. Dann stutzte er. Der
Wind hatte sich gedreht und jetzt glaubte er tatsächlich in der Ferne Lärm zu
hören.
„Ich höre etwas“, sagte auch Sven. Sie hielten die Pferde an
und lauschten. Aber außer den Blättern, die im Wind rauschten, konnten sie nun
nichts Außergewöhnliches mehr wahrnehmen.
Langsam ritten sie weiter. Dann trug der Wind plötzlich
wieder eindeutige Kampfgeräusche zu ihnen herüber. Jemand schrie und deutlich
war das Klingen von Metall auf Metall zu hören.
Da der Weg einige hundert Fuss vor ihnen eine Biegung
machte, konnten sie die Stelle nicht einsehen, von der die Geräusche kamen.
Schnell ließ Sven Antonia vom Pferd gleiten und griff zu
seiner am Sattelknauf hängenden Axt.
Auch Line sprang vom Pferd. „Pass auf Line auf“, rief Conrad
Antonia zu, „versteckt euch in den Büschen, bis wir zurückkommen!“
Er gab Hektor die Sporen und galloppierte hinter Sven her,
um den Überfallenen zu Hilfe zu kommen.
Als sie um die Wegbiegung preschten, erfasste Conrad die
Situation mit einem Blick.
Ein Planwagen, wie ihn Kaufleute benutzen, stand mitten auf
dem Weg. Links und rechts von ihm tobte ein ungleicher Kampf. Conrad zählte
sechs Männer, die einer Meute von mehr als einem Dutzend Wegelagerern gegenüber
standen. Ein weiterer Verteidiger lag bereits leblos am Boden. Vier waren mit
Spießen bewaffnet, es mussten Reisige sein, die anderen beiden waren gut
gekleidet und sahen eher aus wie Kaufleute. Sie schienen nicht besonders
kampferfahren zu sein, obwohl sie sich mit ihren Schwertern tapfer zur Wehr
setzten.
Die Angreifer waren mit Knüppeln und Messern, teilweise auch
mit schartigen Schwertern bewaffnet und schienen ihr
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