Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
Breuberg und
unterrichtete Line während der Reise in höfischem Benehmen und freute sich über
die deutlichen Fortschritte des Mädchens. Line lernte schnell, wobei ihr ihre
natürliche Anmut zugutekam.
Währenddessen bemühte sich Constances Zofe Anna nach
Kräften, Antonia zu unterrichten. Diese staunte, was eine Zofe oder Leibmagd
alles wissen und beachten musste.
Nun hatte Anna noch eine weitere Schülerin. Auch Bella
musste viel lernen, vor allem aber keusch den Blick zu senken in Gegenwart von
Männern, anstatt sie mit einem koketten Augenaufschlag zu verwirren.
Conrad schärfte Martin ein, auf seine Männer zu achten und
die kleinste Respektlosigkeit gegenüber der neuen Magd oder einer der anderen
Frauen sofort zu ahnden. Die Anwesenheit von jungen Frauen konnte die Phantasie
der Männer auf der langen Reise anfachen und er wollte keine unliebsamen
Zwischenfälle riskieren.
Sie waren bereits ein ganzes Stück vorangekommen und
befanden sich kurz vor Marburg, als Constance, die nicht immer nur im Wagen
sitzen wollte, an die Seite ihres Bruders ritt.
„Bella ist wirklich eine Bereicherung“, sagte sie. „Sie ist
fleißig und unermüdlich. Mit ihrer Heiterkeit steckt sie alle an. Ich muss
zugeben, dass ich sehr skeptisch war, als du mit ihr aufgetaucht bist, aber ich
glaube, es war eine gute Entscheidung.“
„Hoffentlich denkst du das auch noch, wenn du ihren Preis
erfährst“, entgegnete Conrad.
„Wie hoch?“
„Das willst du nicht wirklich wissen. Lass es mich mal so
ausdrücken: Wir werden uns etwas einschränken müssen, wenn wir mit der
Reisekasse bis nach Hause kommen wollen.“
„Oh“, rief Constance aus, „ich hoffe, wir werden nicht
hungern müssen.“
„Nun, das gerade nicht, liebste Schwester. Zum Glück gibt es
noch einige Burgen auf unserem Weg, in denen wir beköstigt und beherbergt
werden. Auch die Gästehäuser der Kloster sind recht preiswert.“
„Und bescheiden“, entgegnete Constance und verzog den Mund.
„Dort werden wir uns Ungeziefer einhandeln.“
Sie war zwar nicht verwöhnt, aber auf ein Mindestmaß an
Komfort wollte sie dennoch ungern verzichten.
„Die Wanzen und Flöhe werden es begrüßen, wenn deine zarte
Haut…“
Conrads Lästerei wurde von einem Ellenbogenknuff
unterbrochen.
„Aber im Ernst. Dieses Mädchen ist unbezahlbar. Sie sorgt
mehr als jeder Hauptmann für Ruhe und Ordnung in der Truppe. Mit ihrem Lächeln
kann sie selbst den bärbeißigsten Kämpen erweichen.“
Conrad lächelte in sich hinein. Das konnte er nur
bestätigen. Erst neulich hatte er beobachtet, wie zwei Waffenknechte wie
Streithähne aufeinander losgehen wollten. Sie hatten bereits die Messer gezogen
und Conrad wollte gerade dazwischenfahren, als Bella einfach auf den bulligeren
der beiden zutrat und ihn mit honigsüßer Stimme fragte, ob er ihr nicht beim
Wasserholen helfen könne, er hätte so starke Muskeln.
Ihr Lächeln hatte den Kerl sofort entwaffnet. Beinahe
verlegen steckte er sein Messer weg und folgte ihr wie ein Hündchen.
Sein Kontrahent sah ihm ungläubig nach. Insgeheim war er
sicher erleichtert, denn gegen den stiernackigen Kämpen hätte er wohl den
Kürzeren gezogen.
Als der Hüne mit vollen Wassereimern zurückkam, war die Wut
der beiden Soldaten verraucht und sie tranken friedlich ihr Bier miteinander.
Conrads anfängliche Bedenken, die Soldaten könnten sich
gegenüber den Frauen respektlos verhalten, erwiesen sich als unbegründet.
Die Soldaten brachten Constance den Respekt entgegen, den
sie ihr als ihrer Herrin schuldig waren und auch Line behandelten sie wie eine
Edeldame. Die unscheinbare Antonia schienen sie kaum zu bemerken, aber Bella
vergötterten sie geradezu. Das Mädchen hatte sie alle in kürzester Zeit um den
Finger gewickelt.
In den ersten Tagen hatten die Männer Bella noch gierige
Blicke hinterher geworfen, aber jetzt sahen sie das Mädchen eher wohlwollend
an, manchmal bewundernd, nicht selten auch voller Sehnsucht. Eifersüchtig
achteten sie darauf, dass keiner der Kameraden sich ihr unschicklich näherte.
Sie wetteiferten geradezu um die Gunst Bellas, obwohl sie nie mehr als ein
freundliches Wort oder einen koketten Blick erwarten konnten. Für ein Lächeln
von Bella taten die Waffenknechte beinahe alles.
Unwillkürlich verglich er sie mit Line. Bella war zweifellos
eine Schönheit, aber Line wirkte auf ihn aufregender.
Bella hatte schöne blaugraue Augen mit langen Wimpern, aber
wenn Line ihn ansah, konnte er in ihren
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