Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
Dinge.
Antonia und Geronimo gingen neben den Wagen her und sangen
vor sich hin. Erstaunt stellte Conrad fest, was für schöne Stimmen sie hatten.
Geronimos helle, klare Knabenstimme wurde durch Antonias etwas dunkleren
Stimmklang wunderschön untermalt.
Die Soldaten der Begleitmannschaft sprachen kein Wort und lauschten
beinahe andächtig der traurigen Weise, die von Heimweh und einer verlorenen
Liebe handelte. So manch rauer Kerl wischte sich heimlich eine Träne aus den
Augenwinkeln.
Am Nachmittag trafen sie in Atzbach ein, einem kleinen Dorf
unweit von Wetzlar, in dem sich ein bescheidener Gasthof befand. Zum Speisen
und Übernachten reichte es.
„Kümmere dich um die Quartiere“, trug Conrad dem Hauptmann
Martin auf, „ich habe noch etwas zu erledigen, werde aber vor Mitternacht
zurück sein.“
Er wendete sein Pferd, nahm sein Packpferd am Zügel, das
inzwischen entladen worden war und ritt in Richtung Westen davon.
Li Chan sah ihm erstaunt nach, folgte ihm aber nicht. Er
verspürte keinerlei Lust, heute noch einmal auf ein Pferd zu steigen und
wusste, dass er ihn ohnehin niemals einholen konnte.
Nach einem scharfen Ritt erreichte Conrad eine halbe Stunde
später die Lahnbrücke, die direkt am Nordtor von Wetzlar endete. Es war erst
ein paar Monde her, seit er hier aus dem städtischen Gefängnis geflohen war und
doch kam es ihm vor wie eine Ewigkeit. Einen Moment fürchtete er, die
Torwächter könnten ihn erkennen und Alarm schlagen, aber sie achteten gar nicht
auf den einzelnen Reiter, sondern stritten sich gerade mit einem Fuhrmann
herum.
Conrad passierte das Tor mit einem mulmigen Gefühl und ritt
zielstrebig zum nicht weit entfernten Badehaus am Mühlenbach, über dessen Tür
drei Herzen prangten.
Wieder wurde ihm von dem schwarzen Diener geöffnet. „Ihr
wünscht, Herr?“, fragte dieser höflich. Wenn er ihn erkannt hatte, ließ er es
sich nicht anmerken.
„Führe mich bitte zu deinem Herrn, Hassan“, antwortete
Conrad bestimmt.
Hassan schien erstaunt und zögerte kurz, brachte ihn aber
dann in einen geräumigen Raum, in dem er warten sollte.
Godefroy de Colleoni ließ ihn nicht lange warten. Mit
erhobenen Armen ging er auf ihn zu. „Willkommen, Ritter Conrad von der Lühe.
Ich freue mich, Euch unversehrt wieder zu sehen.“ Er legte seine Hände auf
Conrads Schultern, als wären sie die allerbesten Freunde. „Ich hatte mir Sorgen
um Euch gemacht. Es hieß, Ihr wäret aus dem Kerker des Rathauses geflohen.“
„Ja, das ist wahr. Ich fand die Gastfreundschaft des
Stadtrichters etwas übertrieben“, erwiderte Conrad.
„Ihr habt Mut, hierher zurückzukehren. Die Stadträte mögen
es gar nicht, wenn man ihre Gastfreundschaft nicht zu schätzen weiß.“
Einen Moment musterte er seinen jungen Besucher.
„Es tut mir sehr leid, dass Ihr Euer Mädchen nicht retten
konntet“, sagte er dann mit ehrlichem Bedauern.
Conrad ging nicht darauf ein. Niemand in Wetzlar sollte wissen,
dass Line noch lebte. Stattdessen kam er gleich zur Sache. „Ich habe eine
Bitte“, setzte er an.
„Die ist bereits gewährt, mein Freund“, erwiderte Godefroy
gönnerhaft, „wenn es in meiner Macht steht, sie zu gewähren.“
„Ich denke schon.“ Conrad holte tief Luft. „Ich möchte
Bella.“
„Natürlich, kein Problem…“
„Nein, Ihr habt mich falsch verstanden. Ich möchte sie
mitnehmen.“
„Mitnehmen? Wie meint Ihr das?“
„Ich möchte Bella freikaufen.“
Godefroy de Colleoni war sichtlich überrascht. Aber er
fasste sich schnell wieder. „Das ist allerdings – Bella ist mein bestes Pferd
im Stall – wollte sagen, mein wertvollstes Mädchen.“
„Wie viel?“, fragte Conrad. Er war ein Ritter, kein
Kaufmann.
„Unbezahlbar“, brachte Godefroy heraus. Aber als er in
Conrads entschlossenes Gesicht sah, lenkte er ein. „Aber Ihr seid ein Freund,
also werde ich einen Freundschaftspreis machen.“
Er rief nach Marga und beriet sich kurz mit ihr. Dann nannte
er einen Preis, für den Conrad ein kleines Stadthaus bekommen hätte. Ohne zu
zögern zählte Conrad die Münzen auf den Tisch.
Marga ging hinaus, um kurz darauf mit Bella zurückzukehren.
Das Mädchen erkannte ihn sofort und schaute ihn erstaunt an.
Dann lächelte sie professionell. Sie glaubte sicher, er hätte sie für eine
Nacht gemietet.
Deshalb war sie ziemlich verwirrt, als Godefroy ihr
eröffnete, der junge Ritter hätte sie freigekauft und sie könne mit ihm gehen.
„Du bist frei, du kannst gehen, wohin du
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