Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
Augen versinken wie in einem tiefen
See. Manchmal funkelten glitzernde Sterne in ihren dunklen Pupillen und wenn sie
zornig war, verengten sie sich und schienen Funken zu sprühen.
Bellas Figur war sehr weiblich, ihre Rundungen sehr
ausgeprägt und sie bewegte sich mit einem gekonnten Hüftschwung. Lines
fließende Bewegungen dagegen waren von einer natürlichen Anmut geprägt, die man
nicht erlernen konnte.
Wenn er Bella sah, freute er sich und lächelte ihr zu. Sie
war wie ein Kunstwerk, das man gern betrachtete.
Line dagegen ließ sein Herz schneller schlagen, er konnte
sich einfach nicht satt sehen an ihr. Aber er hätte nicht sagen können, warum
das so war. Sie hatte etwas an sich, das er nicht in Worte kleiden konnte. Eine
geheimnisvolle Aura schien sie zu umgeben, die ihn in ihren Bann zog wie die
geheimnisvollen Sirenen, von denen die Seemänner erzählten.
Durch ein plötzliches Donnergrollen wurde Conrad aus seinen
Gedanken gerissen. Kurz darauf begann es in Strömen zu regnen. Sie mussten
Marburg fast erreicht haben und es war Zeit, dass sie eine Herberge fanden.
Als die Reisegruppe aus dem Wald hervorkam, tauchte vor
ihnen die Stadtmauer von Marburg auf. Hinter den Regenschleiern waren
schemenhaft Dächer und Türme zu erkennen, überragt von einer mächtigen Burg.
Die Gassen waren menschenleer und der Regen prasselte
unaufhörlich auf die niedrigen Dächer der Häuser, die sich wie Schutz suchend unterhalb
der Burg an den Berg schmiegten.
Conrad hatte nicht vor, die Residenz des hessischen
Landgrafen auf dem Burgberg aufzusuchen, denn er war nicht sicher, ob er hier
willkommen war. Deshalb suchte er eine Herberge auf, die der Torwächter
empfohlen hatte. Wie sich herausstellte, war die Gastwirtschaft nicht auf eine
größere Reisegruppe eingestellt. Wegen des schlechten Wetters beschlossen sie
dennoch, dass zumindest die Frauen, Conrad, Li Chan und Geronimo hier
übernachten würden. Die Waffenknechte konnten mit Martin im Stall schlafen und
sich notfalls zur Verfügung halten.
Der geschwätzige Wirt prahlte mit der Schönheit und Pracht
seiner Stadt und hoffte, die Herrschaften dazu zu bewegen, ein paar Tage zu
bleiben. Er erwähnte auch, dass Elisabeth von Thüringen hier ihren Witwensitz
genommen und ein Hospital eröffnet hätte, in das sie ihr ganzes Vermögen
gesteckt hätte.
Conrad horchte auf. Er beschloss, sie aufzusuchen, denn er fühlte
sich dazu verpflichtet, ihr sein Beileid auszusprechen.
Als er ihr damals auf der Wartburg begegnet war, hatte sie
ihn mit Ihrer sanften und doch hoheitsvollen Art tief beeindruckt.
Nachdem sie gespeist und sich kurz aufgewärmt hatten, fragte
Conrad Line, ob sie ihn begleiten wolle, wenn er Elisabeth von Thüringen im
Hospital besuchte. Line war sofort hell begeistert.
Sie genossen es, endlich einmal wieder ungestört zusammen zu
sein und schlenderten durch die leeren Gassen. Das Wetter störte sie nicht.
Conrad bedauerte nur, dass Line ihre Gugel über den Kopf gezogen hatte, weshalb
er kaum ihr Gesicht sehen konnte. Zwar wussten sie nicht, wo sich das von
Elisabeth gestiftete Lazarett befand, aber sie vermuteten es in der Nähe des
Klosters und sollten damit Recht behalten.
Beim Kloster angekommen, klopften sie an die Pforte. Nach
einigen Augenblicken wurde das Guckloch in der Klosterpforte geöffnet und ein
alter Mönch fragte mit brüchiger Stimme nach ihrem Begehr.
„Ich bringe eine Nachricht für Elisabeth von Thüringen“,
sagte Conrad, „könnt Ihr uns sagen, Hochwürden, wo wir sie finden?“
„Natürlich kann ich das“, erwiderte der Mönch und wies ihnen
den Weg zu einem Gebäude des Klosters, das man zum Lazarett umgebaut hatte.
Es handelte sich um ein schmuckloses, aber stabiles
Steinhaus mit schmalen, hohen Fenstern. Auf der Treppe vor dem Eingang saßen
einige ärmlich aussehende Gestalten, die um Almosen bettelten. Auch einige
offensichtlich Kranke waren darunter, die geduldig darauf warteten, eingelassen
und versorgt zu werden.
Conrad und Line gingen an ihnen vorbei. Als sie die Tür
öffneten, wurden sie von zwei Nonnen aufgehalten, die sie skeptisch musterten.
Conrad bat höflich darum, der Landgräfin Elisabeth von
Thüringen seine Aufwartung machen zu dürfen.
„Ich kann Euch leider nicht einlassen, Herr“, sagte daraufhin
die ältere der beiden Nonnen, „Männer sind im Krankensaal nicht gestattet –
jedenfalls keine gesunden Männer.“
„Dann lasst mich bitte mit ihr sprechen, ich werde sie
bitten,
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