Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
Mit aufgerissenen Augen starrte sie auf das längliche
Bündel auf Arnulfs Pferd, aus dem zwei Stiefel hervorlugten. Es waren Conrads
Stiefel, gute Stiefel, ein Geschenk des Kaufmanns aus Aschaffenburg, das
erkannte sie sofort.
Antonia sah Constance schwanken und ging auf sie zu. Keinen
Augenblick zu früh, denn diese sank plötzlich in sich zusammen und wäre
gestürzt, wenn Antonia sie nicht rechtzeitig gestützt hätte. Aber das zierliche
Mädchen konnte sie nicht halten und ließ ihre Herrin langsam auf den weichen
Grasboden gleiten.
„Tragt sie in das Zelt“, ordnete Arnulf an, ohne sich zu
rühren.
Seine Teilnahmslosigkeit jagte Antonia einen kalten Schauer
über den Rücken. Dieser Mensch war skrupellos, völlig kalt. Beinahe körperlich
spürte sie die dunkle Aura, die ihn umgab. Aber er war Constances Gemahl und
damit jetzt ihr neuer Herr.
Stumm ging Antonia neben den beiden Männern her, die ihre
Herrin in ihr Zelt brachten und dort auf die Schlafstatt betteten. Anna
erschrak, als sie hereinkam und schlug die Hände vor den Mund. „Was ist
geschehen?“
„Nur eine Ohnmacht“, beruhigte sie Antonia. Dann teilte sie
der Zofe die schrecklichen Neuigkeiten mit. Anna brach in Tränen aus, als sie
hörte, Ritter Conrad wäre tot.
Aber da war sie nicht allein.
Martin hatte große Mühe, Bella zu trösten. Sie hatte die
einzige Freundin verloren, die sie jemals hatte. Auch der Tod Conrads ging ihr
sehr nahe. Er war der Ritter, der sie aus dem Badehaus herausgeholt und ihr ein
normales Leben ermöglicht hatte. Ihm verdankte sie, die Liebe ihres Lebens
gefunden zu haben.
Aber es blieb nicht viel Zeit für Trauer. Das Lager wurde
abgebrochen, die Zelte auf den Wagen verstaut. Constance nahm das alles wie
durch einen Nebel wahr.
Antonia wurde das Herz schwer. Während sie den anderen half,
die verschiedensten Sachen auf den Wagen zu verstauen, gingen ihr wirre
Gedanken durch den Kopf.
Wieder war es Zeit, Abschied zu nehmen. Martin wollte mit
seinen Leuten nach Breuberg zurückkehren, Jetzt, wo er Constance ihrem Gatten
übergeben hatte, wurde er hier nicht mehr gebraucht. Bella nahm er natürlich
mit. Sie dachte über das Schicksal nach, das so verlockend und grausam sein
konnte. In den letzten Monden hatte sie Menschen gefunden, die ihr nahe standen
und sie wieder verloren. Trotzdem konnte sie ihrem Schicksal nicht zürnen. Sie
und Geronimo konnten bei Constance bleiben. Auf dem Ritterhof in Kölzow gab es
genug Arbeit für sie, so dass sie versorgt waren und nie mehr hungern mussten.
Was konnte sie mehr vom Leben erwarten?
Antonia war nicht dafür geschaffen, lange zu trauern. Was
geschehen war, konnte man nicht ändern. Sie hatte schon so viel Leid erlebt in
ihrem jungen Leben und wollte sich nicht einfach dem Kummer ergeben. Constance
war eine gute Herrin. Vielleicht würde sie sogar einen anständigen Knecht
finden und mit ihm eine Familie gründen.
‚Schicksal ist das, was man daraus macht’, hatte Li Chan
einmal gesagt. Antonia war bereit, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und das
Beste daraus zu machen.
Arnulf hatte es jetzt eilig, nach Kölzow zu kommen. Seine
erschlagenen Waffenknechte konnte er von den Mönchen im nahen Kloster beisetzen
lassen, wo auch Rupert begraben war, es kostete ihn nur einige Münzen.
Den Leichnam seines verhassten Schwagers dagegen musste er
mit nach Kölzow nehmen, auch wenn er bis dahin schon stinken würde, dachte er
zerknirscht. Dort würde man ihn vor der Beerdigung drei Tage aufbahren.
Constances wegen musste er ihn bis dahin noch ertragen. Aber das war das
kleinere Übel.
Mehr Sorgen bereitete ihm diese schwarzhaarige Hexe. Er
musste sie zwingen, den Fluch zurückzunehmen, koste es, was es wolle. Bruno war
dafür der richtige Mann. Der verstand sich darauf, einem Menschen unsägliche
Schmerzen zuzufügen, ohne ihn zu töten.
Genüsslich malte er sich aus, wie der vierschrötige Kerl ihr
zuerst jeden einzelnen Finger und danach die Zehen zerquetschen würde, bis sie
endlich aufgeben und den Fluch lösen würde.
Danach wollte er sie seinen Männern überlassen und dabei
zusehen, wie sie das Mädchen reihum schändeten. Erst danach - falls sie dann
noch leben sollte - wollte er ihr endlich den Gnadenstoß geben.
Wenn sie zurück auf Gut Kölzow waren, wollte er sobald wie
möglich zum Forsthaus reiten. Er konnte es kaum erwarten. Vielleicht sollte er
ihr eine Hand oder einen Fuß ihres Geliebten mitbringen, überlegte er. In allen
Einzelheiten malte
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