Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
war schon etwas
brüchig. Aber es würde seinen Zweck erfüllen.
Konzentriert beugte sich Line über das Schreibpult und
schrieb ein T und ein E auf das Blatt. Das hatte sie schon sehr lange nicht
mehr getan und sie genoss dass Gefühl, die Feder über das Pergament kratzen und
Buchstaben erscheinen zu lassen.
„Was sind die nächsten Buchstaben?“, wollte sie wissen.
Albrecht beugte sich wieder über die verschlüsselte
Botschaft. „Die nächste Zahl ist die 76, demnach…“, er fuhr mit dem Finger über
die Zeilen und zählte die Dreiergruppen ab, „…ein S.“
Die anderen sahen zu, wie Line die von Albrecht von Uritz
diktierten Buchstaben notierte. Es dauerte eine Weile, bis zehn Buchstaben
nebeneinander standen.
Enttäuscht starrte Line auf ihr Pergament. „Das ergibt
keinen Sinn“, murmelte sie vor sich hin. Laut las sie vor, was dort stand: „T E
S T C N U U L I…“
„Das wäre ja auch zu schön gewesen, aber fast zu einfach“,
meinte Conrad.
„Wir versuchen es mit dritten Buchstaben“, schlug Li Chan
vor. Der Chinese gab nicht so schnell auf. Aber auch hier kamen sie nicht
weiter.
„P R I E D I N N N A U…“, las Conrad nach geraumer Zeit von
Lines Pergament ab und schüttelte den Kopf. „Verdammt, das ist es auch nicht.“
„Vielleicht es gibt doch noch anderen Text?“, sinnierte Li
Chan.
„Hat mein Vater Euch irgendetwas gesagt, als er Euch das
Pergament übergab?“, wollte Conrad wissen.
Der alte Uritz überlegte. Dann schüttelte er den Kopf.
„Nichts von Bedeutung, fürchte ich.“
„Aber er hat gesagt etwas?“, bohrte Li Chan nach.
Alle sahen Albrecht von Uritz erwartungsvoll an.
Der wand sich sichtlich. „Es hat bestimmt keine Bedeutung,
eine alberne Bemerkung unter Männern. Wir waren damals nicht ganz nüchtern,
müsst ihr wissen…“
„Vater“, rief Hannes ziemlich unhöflich dazwischen. „Bitte
erinnere dich und wiederhole wörtlich, was Herr Heinrich von der Lühe damals
gesagt hat.“
„Wenn ihr es unbedingt wissen wollt“, Albrecht konzentrierte
sich und dachte eine Weile nach.
„Die genauen Worte waren: ‚sag Conrad, Maria mag es gern von
hinten’, er hat es mehrere Male gesagt, deshalb habe ich es behalten.“
Er warf einen verlegenen Blick auf Line, die ihre
Augenbrauen hochzog.
„Das wusste ich gar nicht“, meinte Hannes prompt. Als er die
verdutzten Blicke der anderen sah, erklärte er: „Maria – äh - ist eine unserer
Mägde, und sie hat einen etwas lockeren – will sagen – aber - ich meine, das
hat sicher nichts mit unserem Problem zu tun.“
Hannes war rot geworden. Er sah seinen Jugendfreund an. „Warum
sollte dir dein Vater Maria empfehlen? Die ist doch viel älter als du.“
„Ich sagte ja“, warf Albrecht entschuldigend ein, „eine
Bemerkung unter betrunkenen Männern – ohne jede Bedeutung. Damals warst du erst
fünf Jahre alt, Conrad.“
Alle Männer schauten betreten drein und vermieden es, Line
anzusehen, die den Kopf gesenkt hatte und angestrengt das Pergament studierte.
„Das ist es!“, rief das Mädchen plötzlich in die peinliche
Stille hinein.
Alle Köpfe flogen zu ihr herum.
„Maria!“, rief Line. Dann zeigte sie auf das Pergament.
„Wenn man die jeweils letzten Buchstaben von hinten…“, sie unterbrach sich kurz
und räusperte sich, „…also von unten nach oben und von rechts nach links liest,
steht dort das Ave Maria – ebenfalls auf lateinisch. Seht her!“
Sie glitt mit dem Finger rückwärts über das Pergament. Jetzt
sahen es sie anderen auch. Conrad murmelte laut vor sich hin, während er die
Buchstaben entzifferte: „A V E M A R I A G R A T I A P L E N
A…“
Als Line am Ende oben links angekommen war, stellte sie
fest: „Im Gegensatz zum Vaterunser ist es vollständig. Jedenfalls der erste
Vers des Ave Maria.“
„Dann ist dieser Text Schlüssel“, sagte Li Chan bestimmt.
„Ja“, stimmte Albrecht zu, „wir müssen nur zählen von hinten
– äh – ich meine rückwärts.“
„Die erste Zahl ist die 74.“ Er fuhr mit dem Finger über das
Pergament, während er rückwärts zählte. „Dann wäre der erste Buchstabe ein V.“
„Gut. Versuchen wir es mal von hinten“, bemerkte Hannes zweideutig
und zwinkerte Conrad grinsend zu.
Albrecht von Uritz räusperte sich vernehmlich und schaute
seinen Sohn tadelnd an.
Line nahm den Gänsekiel zur Hand und tunkte
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