Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
gab in der Geschichte viele
kluge Frauen, welche die Geschicke von ganzen Völkern bestimmt haben...“
„Ja. Die Geschicke ausgestorbener Völker“, sagte Ekarius
sarkastisch. Dann stutzte er. „Und woher willst du das wissen, Tochter?“
„Ich habe es gelesen“, antwortete Line, als wäre es das
Selbstverständlichste auf der Welt.
Als der Pfarrer sie fassungslos anstarrte, ergänzte sie
ungerührt: „In unserer Klosterbibliothek.“
„Ihr wart im Kloster?“
„Ja, in meiner Kindheit. Es war nicht meine Bestimmung, aber
ich habe dort viel gelernt.“ Line war nicht entgangen, dass der Pfarrer sie
plötzlich respektvoll mit Euch ansprach.
„Eine gebildete Frau“, sagte der Pfarrer und verzog
verächtlich den Mund, „Gott bewahre mich vor gebildeten Frauen.“
„Was macht Euch daran Angst, Hochwürden?“
„Angst?“, Ekarius lachte gekünstelt auf, „es ist einfach
wider die Natur, weil Frauen unbestrittener Weise mit wenig Verstand
ausgestattet und dem Manne weit unterlegen sind.“
„Wollt Ihr leugnen, dass es intelligente Frauen gibt? Was
ist zum Beispiel mit Hildegard von Bingen oder…?“
„Das beweist gar nichts. Es gibt auch Frauen mit Bärten“,
jetzt brüllte der Kuttenträger fast, „die auf den Jahrmärkten ausgestellt
werden. Aber das sind abartige Kreaturen. Niemand würde behaupten, es wäre
normal, dass Frauen Bärte haben, nur weil es Weiber mit Bärten gibt.“
Er beugte sich weit in Lines Richtung über den Tisch und
reckte seinen Hals vor.
„Willst du nicht langsam eingreifen, bevor der Pfaffe sich
auf Line stürzt wie ein Wolf auf einen Hasen?“, fragte Hannes leise seinen
Freund.
„Warum?“, gab Conrad ebenso leise zurück, „hast du Angst um
unseren lieben Pfarrer Ekarius?“
Hannes versteckte ein Grinsen hinter seinem Weinbecher und
lehnte sich zurück, um das Schauspiel weiter zu genießen.
Niemand würde behaupten, Männer wären ignorante Trottel, nur
weil es welche unter ihnen gibt, lag Line auf der Zunge, aber sie schwieg
lieber und lächelte nur vieldeutig.
„Wenn Gott gewollt hätte, dass Frauen regieren, hätte er sie
mit entsprechenden Fähigkeiten ausgestattet!“, wetterte Ekarius weiter. „Was
könnten wir erwarten, wenn wir eine Frau – sagen wir - ein Fürstentum regieren
ließen?“
„Frieden?“, bot Constance an.
„Pah, Frieden lässt sich nur mit Macht erringen und mit
unerbittlicher Stärke erhalten.“
„Oder mit Vernunft.“ Line wollte eigentlich nichts mehr
sagen, konnte aber angesichts der Arroganz des Pfarrers nicht anders. Aus den
Augenwinkeln sah sie, wie sich auf Conrads Gesicht langsam ein breites Grinsen
breit machte. Er schien den Disput langsam zu genießen.
„Vernunft ist ein weiteres Attribut, dass man unmöglich den
Frauen zuordnen kann!“
Die Halsschlagader des Pfarrers war gefährlich angeschwollen
und sein Kopf war hochrot. „Frauen denken nicht logisch, sondern emotional,
ohne Zusammenhänge zu begreifen oder zu beachten! Das kann man in vielen
Schriften anerkannter Gelehrter lesen.“
„Natürlich. In den Schriften einiger männlicher Gelehrter“,
warf jetzt Constance ein.
Jetzt war der Geistliche kurz davor, die Beherrschung zu
verlieren. Seine Augen blitzten und wanderten zwischen den beiden Frauen hin
und her, als überlegte er, welche er zuerst erwürgen sollte.
Mit wachsender Belustigung und Bewunderung für Constance und
Line hatte auch Hannes das Streitgespräch verfolgt und zwinkerte Conrad zu.
Jetzt warf er mit unschuldigem Blick ein: „Aber Herr
Pfarrer, ihr werdet doch nicht leugnen, dass viele Männer eine kluge Frau an
ihrer Seite haben, die sie gern um Rat fragen.“
Unwillkürlich musste Line bei diesen Worten an die weise
alte Grete denken, die vor langer Zeit etwas Ähnliches gesagt hatte.
Albrecht von Uritz pflichtete seinem Sohn bei. „Und oft
folgen die Männer den Ideen ihrer Frauen, natürlich ohne zu erwähnen, dass sie
nicht von ihnen selbst stammen.“
Das war zuviel für den armen Pfarrer. Er wurde puterrot und
pumpte, als würde ihn gleich der Schlagfluss treffen.
Conrad hielt es nun doch an der Zeit, einzugreifen. „Gemach,
gemach“, sagte er und hob die Hände, „wir wollen die Damen doch nicht in ein
philosophisches Streitgespräch verwickeln, Vater Ekarius“, versuchte er, die
Situation zu entschärfen.
Beinahe sah es so aus, als würde der Pfarrer sich beruhigen,
denn die Damen schwiegen jetzt und senkten züchtig den Blick.
Aber dann sahen sie
Weitere Kostenlose Bücher