Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
unterdrücken.
Dann machte sie sich daran, die Speisen zu probieren, die
Conrad ihr vorlegte, wie der Brauch es von einem Ritter verlangte. Wie sie es
von Constance gelernt hatte, nahm sie immer nur einen winzigen Happen und ließ
sich viel Zeit beim Essen, zwischendurch immer wieder an ihrem Weinbecher
nippend.
Constance war die Tischdame von Ritter Hannes, der an ihrer
rechten Seite saß und sie ebenfalls bediente.
Die Aufmerksamkeit der Gäste wandte sich allmählich wieder
ihren Speisen und Getränken sowie den unterbrochenen Gesprächen zu. Aber Conrad
entgingen die heimlichen Blicke keineswegs, die man Line von allen Seiten
zuwarf. Die Aufmerksamkeit, die das Mädchen erregte, erfüllte ihn mit Stolz.
Aber auch ein anderes, ungutes Gefühl beschlich ihn angesichts der bewundernden
Blicke der Ritter. War er etwa eifersüchtig?
Lines Unsicherheit verflog langsam und sie wurde etwas
lockerer. Nach den Gesprächsfetzen, die sie von den nahe sitzenden Rittern
auffing, handelte es sich bei den meisten Gesprächen um politische Belange. Das
Gerangel der weltlichen und geistlichen Fürsten um Machtansprüche und Pfründe
interessierte sie nicht besonders.
Dann begann Ihr gegenüber der Pfarrer mit Erhardt von
Bassewitz ein Gespräch über ein Thema, das bald ihre Aufmerksamkeit weckte.
„Ich bin nicht mehr der Jüngste und habe keinen männlichen
Erben. Also werde ich für meine Tochter einen Ehemann finden müssen, der ein
würdiger Nachfolger für mich werden kann“, sagte der ältere Ritter gerade,
„schließlich kann der Besitz nur an einen männlichen Erben übergehen.“
„Glücklicherweise“, warf der Kaplan ein.
Zu aller Überraschung ergriff plötzlich Constance das Wort
und warf mit einem unschuldigen Lächeln eine Bemerkung ein, die eine steile
Falte auf des Pfarrers Stirn erscheinen ließ. „Was wäre denn so schlimm daran,
wenn auch Frauen erben könnten, hochwürdiger Vater?“
Alle in der Nähe sitzenden Ritter unterbrachen ihre
Gespräche. Es wurde still am oberen Ende der Tafel, alle warteten gespannt auf
die Antwort des Pfarrers.
Es galt als unschicklich, wenn sich eine Frau ungefragt in
Männergespräche einmischte, aber der Hausherrin musste man das natürlich
nachsehen.
Der Pfarrer sah sie zunächst verwundert an, als hätte die
junge Witwe etwas völlig Abwegiges gesagt. Aber er fasste sich schnell wieder
und lächelte nachsichtig, als wolle er ein Kind belehren. „Weil es ein Unglück
wäre, meine Tochter, wenn Frauen die Regierungsgeschäfte übernehmen würden.
Gott bewahre uns davor.“
Damit war für ihn das Thema erledigt und er wollte sich
wieder Ritter Erhardt zuwenden.
Aber Constance war noch nicht fertig. „Nicht Gott bewahrt
uns davor, Hochwürden, sondern die Gesetze, die von Menschen geschaffen wurden.
Von Männern, genauer gesagt. In anderen Ländern…“
Gereizt drehte sich der Pfarrer wieder um. Er wollte
Gelassenheit vortäuschen, doch sein aufgesetztes Lächeln gefror zu einer Maske.
„Es ist unverantwortlich, eine Frau regieren zu lassen, und
sei es auch nur auf einem kleinen, unbedeutenden Landsitz wie diesem hier“,
sagte er ätzend. „Stellt Euch doch nur vor, Ihr wolltet das Gut allein
verwalten, nachdem Euer Vater dazu nicht mehr in der Lage war und Euer Bruder
als tot galt. Was wäre wohl daraus geworden?“
Constance stieg die Röte ins Gesicht. „Es wäre keinem
gewissenlosen Räuber in die Hände gefallen“, sagte sie betont ruhig, sichtlich
um Beherrschung bemüht.
„Aber mit Verlaub, Ihr habt ihn zum Ehemann genommen“, warf
Ekarius ein.
„Unser Fürst hatte mich vor die Wahl zwischen einem Leben im
Kloster unter Verzicht auf mein Erbe und der Heirat mit jenem Ritter gestellt,
den ich nicht kannte.“ Constance hatte etwas die Stimme gehoben, „es wäre mir
lieber gewesen, selbst über mein Schicksal entscheiden zu dürfen.“
„Mir will scheinen, dass es nicht die schlechteste Wahl
wäre, sein Leben als Nonne dem Herrn zu widmen. Dennoch will ich gerne zugeben,
dass nicht alle Entscheidungen richtig sind, die durch mächtige Männer
getroffen werden“, räumte der Pfarrer ein, „aber das bedeutet noch lange nicht,
dass Frauen in der Lage wären, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen –
immerhin hättet Ihr dann auch die Verantwortung für die Euch anvertrauten
Menschen auf dem Hof und in Euren Dörfern.“
Gerade wollte Conrad etwas einwenden, als Line sich nicht
mehr zurückhalten konnte und ruhig einwarf: „Es
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