Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
Selbstbeherrschung aufgebracht, den bornierten Ritter so galant in
die Schranken zu weisen.
Conrad war kurz davor gewesen, den alten Ritter von Vosse zu
fordern, was eine endlose Fehde hätte nach sich ziehen können. Erst jetzt
merkte er, dass er seinen Weinbecher umklammert hielt, als wollte er ihn
zerquetschen. Er war froh, dass seine Selbstbeherrschung gerade ausgereicht
hatte, um Line die Gelegenheit für eine Antwort zu geben. Manchmal war die
scharfe Zunge einer Frau wirksamer als die Schwerter der Männer. Er war sehr
stolz auf sie.
Pfarrer Ekarius machte allerdings ein Gesicht, als hätte er
in eine Zitrone gebissen.
Wenn es nach ihm ginge, hätte Conrad den Pfarrer am liebsten
kurzerhand aus dem Saal werfen lassen, aber er konnte ihn nicht einfach wie
einen Bediensteten zum Teufel jagen.
Ekarius war ein Neffe des Bischofs von Schwerin und hatte
daher nicht geringen Einfluss. Nur diesem Umstand verdankte er seine Stellung
als Pfarrer in Kölzow.
Dieser Vorfall führte ihm wieder vor Augen, dass er sich
endlich zu Line bekennen musste. Bisher hatte sich einfach keine passende
Gelegenheit ergeben, sie zu fragen. Oder war das ein Vorwand, hatte er noch
immer Angst?
Er nahm sich vor, die nächste Gelegenheit beim Schopfe zu
packen. Plötzlich schoss ihm ein, dass diese Gelegenheit gerade jetzt gekommen
war. Er würde sich jetzt sofort zu ihr bekennen, vor allen anwesenden Rittern.
Das würde die Lästermäuler zum Verstummen bringen.
Alle sahen ihn gespannt an, als er sich langsam erhob.
Sämtliche Gespräche waren verstummt.
„Ich stimme Euch vollkommen zu, Herr von Vosse“, sagte
Conrad an den älteren Ritter gewandt.
„Auch ich bin sehr stolz, solch eine Gefährtin zu haben und
möchte den heutigen Abend nutzen, meine offizielle Verlobung mit der Dame
Caroline aus Herbishofen bekannt zu geben.“ Er drehte sich zu Line um und
ergänzte: „Das heißt, wenn sie mich will.“
Line stand ebenfalls auf, obwohl ihre Knie weich waren wie
Butter und sah Conrad in die Augen. „Ist das dein Ernst?“, hauchte sie so
leise, dass nur er sie hören konnte.
„Ich war mir noch nie einer Sache so sicher“, antwortete er
genau so leise und nahm sie einfach in die Arme.
Einen Moment regte sich niemand. Dann war der alte von Vosse
der erste Ritter, der aufstand und sein Glas erhob. „Auf das junge Paar!“, rief
er mit dröhnender Stimme.
Alle anderen Ritter taten es ihm nach.
Der Pfarrer Ekarius war jetzt völlig fassungslos. Er war
förmlich auf seinem Stuhl zusammengesunken.
Aber Conrad überraschte ihn noch einmal. „Wir müssen noch
über die neue Glocke und die Reparatur des Daches Eurer Kirche sprechen,
Pater“, sprach er ihn an, als wäre nichts gewesen.
Diese Worte wirkten Wunder. Die Röte wich aus dem Gesicht
des Geistlichen und ein wohlwollendes Lächeln verdrängte die verkniffene Mine.
„Wer weiß, ob das Dach im jetzigen Zustand den nächsten
Winter übersteht, lasst uns also so bald wie möglich mit den
Ausbesserungsarbeiten beginnen.“ Conrad hob seinen Becher und prostete dem
Kuttenträger zu.
Diesem blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls seinen
Becher zu heben. Bevor er trank, warf er aber den Frauen noch einen
vernichtenden Blick zu. Dann schlug er Conrad vor, sich um die Handwerker zu
kümmern.
Natürlich wusste Conrad den Grund seines Eifers, denn so
hätte er die Möglichkeit, einiges von dem Geld für eigene Zwecke abzuzweigen.
Dennoch stimmte er zur Freude des Pfarrers wohlwollend zu.
Nach dieser Übereinkunft blieb Ekarius nur noch so lange in
der Halle, wie es erforderlich war, um sich keine Blöße zu geben. Dann
entschuldigte er sich mit angeblich unaufschiebbaren Pflichten und verließ
gemessenen Schrittes den Saal.
Es war nicht ungewöhnlich, dass der Pfarrer ein Gelage
verließ, bevor die Ritter infolge des Weingenusses dazu übergingen, schmutzige
Anekdoten oder Lieder zum Besten zu geben oder sich gegenseitig in die Haare
gerieten, um sich beim nächsten Becher wieder zu versöhnen und auf die
unzertrennliche Freundschaft zu trinken.
Nachdem Ekarius den Saal verlassen hatte, wurde die Stimmung
zunehmend ausgelassener.
Richtig laut wurde es aber erst, nachdem sich kurz darauf
auch die Damen zurückzogen.
*
Lupus, der sich vor Lines Kammertür zusammengerollt hatte,
schaute auf, als Conrad sich ihm zu später Stunde näherte.
„Hör zu, mein Freund“, sagte Conrad. „Ich weiß, du bist der
beste Wächter, den man sich wünschen
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